Nur einen Tag nach dem Rücktritt des Warschauer Erzbischofs Stanislaw Wielgus ist am Montag erneut ein ranghoher Priester offenbar wegen seiner Geheimdienstkontakte zurückgetreten.
Der Prälat der Wawel-Kathedrale in Krakau, Janusz Bielanski, habe Kardinal Stanislaw Dziwisz seinen Rücktritt angeboten, der auch sofort angenommen worden sei, berichtete der Nachrichtensender "TVN 24". Das Nachrichtenmagazin "Wprost" hatte bereits vor einem Jahr berichtet, Bielanski sei Informant des früheren kommunistischen Geheimdienstes gewesen.
Untersuchungskommission
Der konservative Publizist Aleksander
Hall hofft auf einen "Nachfolger von großem Format und großer
Glaubwürdigkeit", der nach dem Rücktritt von Wielgus an der Spitze des
Erzbistums Warschau stehen soll. "In dieser Angelegenheit sind alle
möglichen Fehler begangen worden", kommentierte er in der "Gazeta Wyborcza"
das Verhalten von Wielgus und der Kirchenhierarchie. Er plädierte für eine
von den Bischöfen berufene kirchliche Untersuchungskommission, die nun
innerkirchliche Geheimdienstverstrickungen aufdecken soll. Italienische
Medien kommentierten am Montag, Wielgus habe auch Papst Benedikt XVI. in
eine peinliche Lage gebracht.
„Vatikan steht unter Schock“
Der Vatikan wusste
angeblich bis Ende vergangener Woche nichts vom ganzen Ausmaß der
Spitzel-Tätigkeit von Wielgus. Dies sagte der Präfekt der
Bischofkongregation, Kardinal Giovanni Battista Re, der Zeitung "Corriere
della Sera" (Montagausgabe). "Als Monsignore Wielgus nominiert wurde,
wussten wir nichts von seiner Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten",
erklärte Battista Re. "Der Vatikan steht unter Schock", titelte die Zeitung
"La Repubblica".
Nach Auffassung des Heiligen Stuhls hat Wielgus - abgesehen von seinen Geheimdienstverstrickungen - zwei große Fehler gemacht: Zum einen habe er bis zum vergangenen Freitag öffentlich seine Kollaboration abgestritten, zum anderen habe er dem Vatikan während des Prozesses seiner Nominierung Informationen vorenthalten. "Papst Ratzinger wurde persönlich in die Sache hineingezogen, als Wielgus versicherte, dem Heiligen Vater alles gebeichtet zu haben", schrieb "La Repubblica". Jedoch warf das Blatt Benedikt XVI. gleichzeitig vor, der Kirche in Polen "mit einer eigensinnigen und am Ende nicht mehr tragbaren Entscheidung" geschadet zu haben.
Weitere Vorwürfe
Unterdessen gehen die Vorwürfe gegen
Priester und hohe Geistliche, die in Geheimdienstkontakte verstrickt gewesen
sein sollen, weiter. Zahlreiche Geistliche aus dem Freundeskreis des
Krakauer Kardinals Dziwisz etwa seien vom Geheimdienst systematisch zur
Zusammenarbeit gedrängt worden, berichtete "Newsweek Polska" am Montag. Das
Interesse der Sicherheitsbehörden kam nicht von ungefähr - Dziwisz war erst
der Kaplan von Karol Wojtyla und nach dessen Wahl zum Papst sein
persönlicher Assistent.
Kardinal Jozef Glemp, der Primas der katholischen Kirche Polens, gerät unterdessen wegen seiner Predigt, in der er am Sonntag Wielgus noch einmal gegen alle Anschuldigungen verteidigte, in die Kritik. "Der große Fehler des Primas", urteilte die Zeitung "Dziennik" am Montag auf ihrer Titelseite. "Der Primas stand vor den Gläubigen, um klar zu sagen: Wenn es von mir abhinge, wäre Wielgus Erbischof." Die Worte des Primas hätten die Teilung zwischen Anhängern und Gegnern von Wielgus nur vertieft, urteilte die konservative "Rzeczpospolita".
Mit seiner zur Verteidigungsrede geratenen Predigt habe Glemp Öl ins Feuer gegossen, meinte der katholische Publizist Zbigniew Nosowski. Die Predigt des Primas habe die Gemüter nicht beruhigt, sondern sei ein Frontalangriff auf alle, die sich für eine Aufklärung der Geheimdienstkontakte in Kirche und Gesellschaft einsetzen, bedauerte der Publizist Tomasz Terlikowski.