Schüssel-Interview

"Eurofighter nicht verhandelbar"

Teilen

Kanzler Schüssel reitet im ÖSTERREICH-Exklusivinterview Attacken gegen FPÖ und SPÖ. Über die Eurofighter will er nicht einmal verhandeln.

ÖSTERREICH: Worum sorgen sich die Menschen Ihrer Meinung nach am meisten? Wolfgang Schüssel: Arbeitsplätze und natürlich Sicherheit. Wir haben die Trendwende: Jeden Tag werden 200 Arbeitsplätze geschaffen. Da gibt es die Sorge: Bleibt das so? Wir haben ja 50 Milliarden Euro mehr Spareinlagen. Die Leute sorgen sich also. Da geht es auch um Sicherheit nach innen: Lebensmittelsicherheit, Gesundheit, Sicherheit auf der Straße und so weiter. Und Sicherheit nach außen: Kampf gegen den Terror etwa.

ÖSTERREICH: Sie wollen die Erbschaftssteuer abschaffen, manche wollen sie belassen und die Studiengebühren abschaffen, weil es in etwa um denselben Betrag geht.
Schüssel: Es handelt sich um 85.000 Fälle im Jahr, 84.700 sind kleine Erbschaften und Schenkungen. Diese Steuer gehört weg. Die 300 bis 400 Fälle über 350.000 Euro sind Betriebs­übergaben. Wir wollen doch Arbeitsplätze schaffen. Die Studienbeiträge gehören den Unis. 30 Prozent der Studenten sind aus sozialen Gründen befreit. Was überhaupt nichts kostet, ist nichts wert. Fragen Sie nach, ob es auf internationalen Unis ein Gratisstudium gibt. 25 Prozent der Studenten haben außerdem ein Stipendium.

ÖSTERREICH: An den Unis sagt man, die Studenten seien nicht ausreichend vorbereitet. Und Sie sagen, bei der Bildung sei alles in Ordnung.
Schüssel: So sage ich das nicht. Aber wenn man jetzt nach dem Pflegenotstand den Bildungsnotstand ausruft, hat man eher einen Argumentationsnotstand. Der echte Test ist der Arbeitsmarkt. Den besteht die österreichische Schule spielend. Wir sollten viel verbessern, aber in einer klugen Art und Weise. Motivieren: ja. Das ganze System schlecht reden: nein. Wir müssen die Schulen von vielen bürokratischen Zwängen befreien. Etwa, ab wann Klassen geteilt werden müssen. Das sollen sie selbst entscheiden.

ÖSTERREICH: Aber man muss den jungen Leuten sagen: Die Konkurrenz wird härter.
Schüssel: Nicht härter, man muss wacher werden. Ich mache mir da nicht so viel Sorgen wie andere. Wir werden im Wettbewerb bestehen müssen: 80 Prozent der jungen Leute haben eine Ausbildung über den Pflichtschulabschluss hinaus. Das ist ein Riesenvorteil.

ÖSTERREICH: Stichwort Eurofighter: SP-Chef Gusenbauer sagt, es seien krumme Dinge gelaufen. Wie können Sie mit jemandem noch arbeiten, der solche Vorwürfe erhebt?
Schüssel: Wenn er etwas weiß, soll er zum Staatsanwalt gehen. Das ist der zweite Wahlkampf, der mit diesem Thema bestritten wird und das ist ein bisserl öd. Alle diese Vorwürfe kommen aus dem Klub der roten Dichter. Keine Argumente, kein Vertrauen auf die eigene Stärke, also anpatzen, anpatzen, anpatzen. Das wurde in diesem Wahlkampf dem SPÖ-Vorsitzenden geraten, und leider hat er sich daran gehalten. Die Frage der Luftraumüberwachung ist nicht verhandelbar: Jeder, der in die Regierung kommt, wird auf die Verfassung vereidigt. Dort steht, dass wir unser Land mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen müssen. Diese Verpflichtung endet natürlich nicht einen Meter über dem Boden.

ÖSTERREICH: Das BZÖ will 300.000 Ausländer außer Landes bringen. Das unterscheidet sich doch nicht von den Tönen des Herrn Strache, mit dem Sie nicht zusammenarbeiten wollen.
Schüssel: Wir haben drei Mal die Gesetze geändert und den Effekt spürt man jetzt. In den 1990ern konnte jeder kommen, da sind Kaskadeneffekte entstanden, die so nicht geplant waren. Das haben wir deutlich verschärft: 30 Prozent Rückgang beim Asyl, 40 Prozent bei Einbürgerungen. Rund 70 Prozent weniger Zuwanderung. Es ist auch nicht wahr, dass wir nicht wachsam sind: Wir haben 25.000 Ausländer abgewehrt, die illegal über die grüne Grenze kommen wollten. Bis zu 50.000 Ausländer werden Österreich heuer wieder verlassen müssen. Wir werden 6000 sogar zwangsweise abschieben, weil sie die Spielregeln nicht einhalten. Aber ich sage auch: Ich will keine Menschenhetze, wie die FPÖ sie betreibt.

ÖSTERREICH: Aber dann ist ja Westenthalers Forderung erst recht absurd.
Schüssel: Die Zahl ist absurd. Würde das gemacht werden, haben Sie wirklich einen sozialen Notstand.

ÖSTERREICH: Warum also mit Strache nicht?
Schüssel: Ich habe eine Koalition mit Strache nicht nur wegen der Ausländerpolitik abgelehnt. Es gab mehrere Gründe: Die FPÖ hat stets gesagt, sie geht in Opposition. Der zweite Punkt ist: Die FPÖ und Hans-Peter Martin begreifen Europa nicht als Chance, sondern als Feindbild. Es ist doch skurril, den Austritt aus der EU anzustreben und eine Union mit Schweden, Finnland oder Russland zu bilden, das kannst Du ja am Villacher Fasching verkaufen.

ÖSTERREICH: Hat Karin Gastinger ein sicheres Ticket in Ihrem Regierungsteam? Schüssel: Was ich gesagt habe, gilt: Niemand hat ein fixes Leiberl. Sollte in Koalitionsverhandlungen der Wunsch nach einer partei-freien Justizministerin auftauchen, ist sie eine sehr geeignete Persönlichkeit.

Zur Person: Wolfgang Schüssel
Der 61-jährige studierte Jurist ist seit Februar 2000 Bundeskanzler – obwohl die Volkspartei bei der Wahl 1999 nur auf dem 3. Platz landete. Schüssel ist seit 1995 ÖVP-Obmann. Bis 2000 war er Vizekanzler und Außenminister. In der Politik ist Schüssel viel länger: 1968 begann er als Klubsekretär, 1975 wurde er Wirtschaftsbund-General, 1989 Wirtschaftsminister. Seine vielleicht größte Leistung: Schüssel hat die notorisch zerstrittene ÖVP geeint.

Interview: Helmut Brandstätter/ÖSTERREICH

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.