Amnesty International fordert grundsätzlichen Verzicht auf die Waffe, die auch in Österreich verwendet wird.
Der Tod eines polnischen Einwanderers am Flughafen von Vancouver hat in Kanada eine Debatte um den Einsatz von Elektroschockpistolen ausgelöst. Der verwirrte oder aufgeregte Mann war Mitte Oktober von der Polizei mit einem sogenannten Taser angeschossen worden und kurz darauf gestorben. Ein erst jetzt veröffentlichtes Video zeigt, dass die Beamten die umstrittene Waffe schon 46 Sekunden nach ihrem Eintreffen einsetzten, obwohl sie nicht von dem Mann bedroht wurden.
Forderung nach Taser-Verzicht
US-Medienberichten vom Freitag
zufolge fordert Amnesty International einen grundsätzlichen Verzicht auf die
Waffe, der kanadische Sicherheitsminister Stockwell Day kündigte eine
Untersuchung des Vorfalls an. Seit Juli 2003 sind laut "New York Times"
in Kanada 18 Menschen gestorben, nachdem sie von einem Schuss aus der
Elektroschockpistole getroffen wurden, in den USA waren es 280 Fälle seit
2001.
Waffe gilt nicht als tödlich
Die Waffe, die dem Opfer mit
Nadelelektroden einen kurzen, heftigen Elektroschock versetzt, gilt als
nicht tödlich. Die österreichische Exekutive verfügt seit 1. Juni 2006 über
etwa 200 Taser. Mit den Geräten werden "nur spezielle ausgebildete
Beamte" ausgerüstet, die zu den Spezialeinheiten Cobra und Wega oder
zur Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität gehören bzw. in
Polizeianhaltezentren tätig sind, sagte Rudolf Gollia vom Innenministerium.
Bisher wurden Taser in 50 Fällen - "unter den strengen
Bestimmungen des Waffengesetzes" (Gollia) - angewendet, es gab dabei
keine Zwischenfälle.
"Mindergefährliche Waffen"
Die Geräte sind seit
einigen Jahren auch in österreichischen Vollzugsanstalten vorhanden, nachdem
diese in einem eigens angeforderten gerichtsmedizinischem Gutachten als "mindergefährliche
Waffen" eingestuft wurden. Das sagte Vollzugsdirektor Karl Drexler. "Die
Verletzungsgefahr ist bei Stockwaffen deutlich höher". In
österreichischen Gefängnissen sind Taser bisher sechs bis sieben Mal zum
Einsatz gekommen, nie sei etwas passiert. Drexler verwies auf die
abschreckende Wirkung: "Die Häftlinge wissen inzwischen Bescheid."
Taser seien daher ein geeignetes Mittel, um die "Neigung zur Gewalt in
Gefängnissen deutlich zu senken".
Opfer konnte Mutter nicht finden
Zu dem Vorfall in Vancouver war
es gekommen, weil der aus Polen kommende Mann nach einer zehnstündigen
Einreise-Prozedur seine Mutter am Flughafen nicht mehr finden konnte. Er
geriet in Panik, begann auf Polnisch zu schreien und warf am Schluss mit
einem Sessel um sich. Die herbeigerufenen Polizisten gaben dem Video zufolge
mindestens zwei Schüsse ab, 68 Sekunden nach ihrem Eintreffen lag der Mann
regungslos am Boden. Die Polizei hatte das von einem Mitreisenden gedrehte
Video zunächst beschlagnahmt, nach der Androhung juristischer Schritte
jedoch wieder herausgegeben.
Taser zu früh benutzt
Der Generalsekretär von Amnesty
International in Kanada, Alex Neve, sagte: "Es ist sehr wahrscheinlich,
dass der Taser früher benutzt wurde, als es die Situation erforderlich
machte." Nach einem Bericht der kanadischen Zeitung "Globe and Mail"
hatte eine Mitreisende unmittelbar vorher noch versucht, den Mann zu
beruhigen. "Alles, was der Mann brauchte, war ein Dolmetscher",
sagte sie. "Er war für niemanden eine Gefahr."