500.000 bei Demo

Geistlicher stellt Irans System in Frage

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Ein ranghoher Geistlicher spricht davon, dass das herrschende System keine politische und religiöse Legitimation mehr hat. Twitter verschiebt auf Intervention des US-Außenministeriums Wartungsarbeiten.

Zehntausende von Oppositionsanhängern haben am Mittwoch in Teheran erneut gegen das Ergebnis der Präsidentenwahl demonstriert und der Regierung Wahlbetrug vorgeworfen. Anhänger des unterlegenen Oppositionskandidaten Mir-Hossein Moussavi blockierten im Zentrum der Hauptstadt Straßen und Plätze und forderten eine Wiederholung der Wahl. Nach Augenzeugenberichten trugen sie grüne und schwarze Kleidung - Grün als Farbe der Opposition, Schwarz zum Zeichen der Trauer für die in den Vortagen ums Leben gekommenen Demonstranten.

Fünfter Tag in Folge
Augenzeugen schätzten die Zahl der Teilnehmer auf mehr als 100.000. Ein massives Polizeiaufgebot sicherte die Innenstadt. Es war der fünfte Tag in Folge, an dem die Opposition gegen den erzkonservativen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad und dessen offiziellen Wahlsieg demonstrierte. Am Mittwoch kam es zunächst zu keinen größeren Zwischenfällen. Viele erhoben die Hände immer wieder zum Friedenszeichen.

Unterstützung wächst
Nach Angaben aus der Opposition wächst die Unterstützung durch die Bevölkerung täglich. Die Demonstranten wurden am Mittwoch von Anrainern mit Mineralwasser versorgt. Sprecher der Opposition hatten dazu aufgerufen, Ahmadinejad nicht mit beleidigenden Äußerungen zu provozieren.

Geistlicher Führer
Indes stellte sich auch der ranghöchste Geistliche der Opposition hinter die Protestbewegung. Großayatollah Hossein Ali Montaseri sagte auf seiner Internet-Seite, das herrschende islamische System habe wegen Betrugs keine politische und religiöse Legitimation mehr. Das von der Regierung präsentierte Ergebnis mit dem Erdrutschsieg von Amtsinhaber Ahmadinejad könne "niemand bei vollem Verstand" akzeptieren.

Fußballer zeigen Farbe
Spieler der iranischen Nationalmannschaft sind beim WM-Qualifikationsspiel am Mittwoch gegen Südkorea in Seoul mit grünen Armbändern aufgelaufen. Grün ist die Farbe des iranischen Oppositionsführers Mir Hussein Moussavi, dessen Anhänger eine Wiederholung der Präsidentschaftswahl vom vergangenen Freitag erreichen wollen.

(c) AP Photo

Zensur umgangen
Die Demonstration mit grünen Schweißbändern, an der sich nicht alle Spieler beteiligten, wurde im Iran als sensationelle Parteinahme gewertet. Viele Millionen Menschen in dem fußballbegeisterten Land verfolgten die Partie live im Fernsehen. Mit grünem Band wurden unter anderem der Frankfurter Bundesliga-Profi Mehdi Mahdavikia und der frühere Bayern-Spieler Ali Karimi gesehen.

Twitter verschiebt Wartung
Angesichts der Bedeutung der Onlinemedien für die Information der Weltöffentlichkeit über die Ereignisse im Iran intervenierte das US-Außenministeriums beim Kurznachrichtendienst Twitter. Dieser verschob auf Wunsch des Außenministeriums geplante Wartungsarbeiten, wie mehrere Gewährsleute am Dienstag in Washington berichteten.

Der vom obersten Geistlichen Führer im Iran, Ayatollah Ali Khamenei, mit der Überprüfung des Wahlergebnisses beauftragte Wächterrat wird nach Auffassung des iranischen Botschafters in Berlin erst in rund zehn Tagen eine offizielle Erklärung zum Ergebnis der Präsidentschaftswahl abgeben.

Laut dem offiziellen Ergebnis hat Amtsinhaber Mahmud Ahmadinejad die Wahl klar gewonnen. Das bestreiten jedoch die Anhänger des reformorientierten Kandidaten Moussavi. Am Dienstag waren in Teheran mehrere tausend Anhänger beider Lager in getrennten Kundgebungen auf die Straße gegangen.

Für Obama sind beide gleich schlimm
US-Präsident Barack Obama vermied es unterdessen, in dem Konflikt Partei zu ergreifen. Für ihn sei der Unterschied zwischen Ahmadinejad und Moussavi nicht so groß wie dargestellt, sagte er dem US-Sender CNBC. Unabhängig vom tatsächlichen Ausgang der Präsidentenwahl müsste man "in beiden Fällen mit einem Regime umgehen, das den Vereinigten Staaten seit längerer Zeit feindlich gesinnt ist".

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