Porträt

Ingrid Betancourt - die Jeanne d'Arc Kolumbiens

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Ingrid Betancourt wurde 2002 von kolumbianischen FARC-Rebellen entführt. Jetzt konnte sie nach sechs Jahren befreit werden.

Die Erleichterung ist riesig. Ingrid Betancourt ist nach langem Bangen frei. Seit Februar 2002 war die französisch-kolumbianische Politikerin in der Gewalt der Rebellenorganisation FARC. Über den Gesundheitszustand der 46-Jährigen gab es in den vergangenen Monaten beunruhigende Nachrichten. Beim Überleben ihres Martyriums dürften Betancourt ihr Mut und ihre Charakterstärke geholfen haben. Ihr Kampf gegen Korruption und Bürgerkrieg, ihre große Energie und ihre oft ungewöhnlichen Polit-Aktionen hatten der Ex-Präsidentschaftskandidatin schon vor ihrem Verschwinden internationale Bekanntheit und den Beinamen "Jeanne d'Arc" Kolumbiens eingebracht.

Faustpfand
Für die linksgerichteten FARC war die Politikerin der Umweltschutzpartei Sauerstoff ein geeignetes Faustpfand, um die Freilassung von inhaftierten Gesinnungskollegen zu fordern. Betancourt war vor mehr als sechs Jahren auf einer Wahlkampfreise in die ehemalige Guerilla-Hochburg San Vicente del Caguán im Süden des Landes von den Rebellen verschleppt worden. Die Regierung rügte später, dass sie ohne Begleitschutz losgefahren sei.

Ende November war erstmals nach mehr als vier Jahren ein Lebenszeichen von Betancourt aufgetaucht: Die kolumbianische Regierung hatte Videos, Fotos und Briefe von Betancourt freigegeben, die bei der Festnahme von FARC-Rebellen im Oktober beschlagnahmt wurden. Das Video zeigte die stark abgemagerte Betancourt auf einer Holzbank im Dschungel sitzend. Im Januar ließen die FARC Betancourts frühere Wahlkampfmanagerin Clara Rojas sowie die Ex-Parlamentarierin Consuelo González frei, Ende Februar schließlich vier weitere Geiseln. Für Betancourt ging das Warten weiter.

Ihre Angehörigen hielten die Erinnerung an Betancourt in den vergangenen Jahren stets wach. "Sie ist sehr unnachgiebig, direkt und konnte einem Staatschef sagen: Sie sind ein Verbrecher und ein Dieb", sagte ihre Mutter Yolanda Pulecio einmal.

Direkte Art kam gut an
Bei Wählern kam die direkte Art Betancourts gut an. 1994 wurde die energische Grüne ins kolumbianische Abgeordnetenhaus gewählt. Zuvor hatte die Absolventin der renommierten Pariser Hochschule für Politikwissenschaften in Bogotá Kondome verteilt. "Die Korruption ist das Aids unserer Gesellschaft. Schützen wir uns", lautete damals ihr Slogan. Vier Jahre später zog sie in den Senat ein, mit dem landesweit besten Wahlergebnis.

Mit ihrer Kritik an der grassierenden Korruption und der Gewalt zwischen Regierungsarmee, rechten Paramilitärs und linken Rebellengruppen eckte Betancourt allerdings auch an. Politische Gegner warfen ihr vor, nur aus Populismus ökologische Themen zu vertreten, und kritisierten, dass ihr internationaler Ruf in keinem Verhältnis zu ihrem Einfluss in Kolumbien stünde. Der Hass ging so weit, dass Betancourt Morddrohungen erhielt.

Dass sie die Drohungen ernst nahm, zeigten auch Zitate aus ihrem Bestseller "Die Wut in meinem Herzen", in dem Betancourt die korrupten Zustände in ihrem Land anprangerte. "Wird man mich auch töten?", fragte sie in dem Buch und bekannte weiter: "Ich liebe das Leben leidenschaftlich, ich habe keine Lust zu sterben."

Großes Echo in Frankreich
Das Schicksal von Betancourt hatte vor allem in Frankreich ein großes Echo gefunden. Staatspräsident Nicolas Sarkozy erklärte die Bemühungen um eine Befreiung schon vor seiner Wahl im Mai 2007 zur Chefsache und setze sich immer wieder persönlich für ihre Freilassung ein. Wiederholt wandte er sich in Ansprachen in Radio und Fernsehen an FARC-Führer Manuel Marulanda. Venezuelas Präsident Hugo Chávez schaltete sich ebenfalls in die Geiselkrise ein und warb für einen Gefangenaustausch.

Der Druck für eine Freilassung Betancourts war in den vergangenen Wochen wegen ihres zeitweise besorgniserregenden Gesundheitszustands gewachsen. Frankreichs Regierungschef François Fillon sagte Ende Februar, Betancourts Überleben sei "eine Frage von Wochen". Die Franko-Kolumbianerin soll an Hepatitis B sowie an einer durch Insektenstiche hervorgerufenen Hautinfektion leiden. Nach ihrer Freilassung soll sie sich nun endlich in Ruhe erholen.

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