Hundertausende Palästinenser stürmen nach Ägypten. Jetzt hat Israel damit gedroht, alle Verbindungen zum Gaza-Streifen zu kappen.
Nach Öffnung der Grenze zu Ägypten sei Israel nicht mehr für das Palästinensergebiet am Mittelmeer zuständig, erklärte der israelische Vize-Verteidigungsminister Matan Vilnai. "Wir wollen ihnen keine Elektrizität mehr liefern und auch kein Wasser und keine Medikamente". Dies müsse "von anderer Seite" übernommen werden. Beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos wies allerdings Verteidigungsminister Ehud Barak daraufhin, seine Regierung habe eine Lockerung der Blockade des Gaza-Streifens nicht ausgeschlossen.
Zur Rückkehr gezwungen
Unterdessen begannen ägyptische
Sicherheitskräfte damit, am Grenzübergang Rafah mit Gewalt gegen die
anstürmenden Palästinenser vorzugehen. Nach Augenzeugenberichten zwangen
ägyptische Polizisten Palästinenser zur Rückkehr in ihre Heimat. Dabei
hätten sie auch Schlagstöcke eingesetzt. Auch in der Städten und Dörfern der
Sinai-Halbinsel hätten ägyptische Sicherheitskräfte Palästinenser
eingekreist und zur Grenze zurückgebracht.
Dürfen nur bis Freitag bleiben
Am Donnerstagvormittag
stoppte die ägyptische Polizei nach Angaben von Augenzeugen alle
Lastwagenfahrer, die Lebensmittel und Medikamente nach Al-Arish und Rafah
bringen wollten. Aus Sicherheitskreisen hieß es, die Palästinenser dürften
nur noch bis Freitag in Ägypten bleiben. Die Polizei habe den Befehl
erhalten, für ihre Rückkehr zu sorgen. Zuvor hatten unter anderem die USA
und Israel die ägyptische Führung aufgefordert, die Lage an der Grenze zum
Gazastreifen unter Kontrolle zu bringen.
"Sie werden ihr Leben dafür opfern"
Der Berater
der radikal-islamischen Hamas, Ahmed Youssef, drohte, bei einer nächsten
Aktion würden die Palästinenser den abgeriegelten Grenzübergang Erez nach
Israel stürmen: "Wir nehmen jedes Risiko in Kauf. Sie (die Palästinenser)
werden ihr Leben dafür opfern". Nach Medienberichten hatte Hamas die
Sprengung der Grenzbefestigung nach Ägypten monatelang geplant. Militante
hatten in der Nacht zum Mittwoch mehrere Löcher in die etwa zehn Kilometer
lange Grenze gebombt.
Eine halbe Million Flüchtlinge
Nach Schätzungen aus
Sicherheitskreisen hielten sich am Morgen noch etwa eine halbe Million
Palästinenser auf der Sinai-Halbinsel auf. Augenzeugen in der Stadt Al-Arish
berichteten, unzählige Palästinenser hätten bei Verwandten, in Moscheen,
Ferienwohnungen und Teestuben übernachtet. Viele tausende Palästinenser
waren allerdings nach ihren Einkäufen bereits in den Gazastreifen
zurückgekehrt.
Beratungen am Wochenende
Olmert und Abbas wollen am Wochenende
über die Blockade des Gazastreifens beraten. Im Rahmen der auf der
Nahost-Konferenz in Annapolis vereinbarten regelmäßigen Treffen werde Olmert
am Sonntag in Jerusalem mit Abbas zusammenkommen, sagte ein ranghoher
Vertreter Israels am Donnerstag. "Sie werden besonders die aktuelle
Situation in Gaza ansprechen." Abbas und Olmert hatten sich zuletzt am 8.
Jänner getroffen.