Der bisherige Premier kündigt eine hartnäckige Oppositionsarbeit an. Er findet die ausländischen Reaktionen sehr beunruhigend.
Nach seiner Wahlniederlage will der noch amtierende polnische Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski am 5. November, dem ersten Sitzungstag des neuen Parlaments, seinen Rücktritt einreichen. Es gebe keinen Grund, vorher zurückzutreten, sagte Kaczynski am Mittwoch nach einer Sitzung der Parteispitze vor Journalisten in Warschau. Er sei auch bereit, auf dem nächsten Parteitag seiner nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) seinen Rücktritt als Parteichef anzubieten. Zugleich kündigte er an, die PiS werde in den nächsten vier Jahren hartnäckige Oppositionsarbeit leisten.
Findet Berliner und Moskauer Reaktionen beuntuhigend
"Sehr
beunruhigend" seien die (positiven) Reaktionen aus Berlin und Moskau auf den
anstehenden Machtwechsel, sagte Kaczynski, unter dessen Regierung sich die
deutsch-polnischen und polnisch-russischen Beziehungen deutlich abgekühlt
hatten. Die PiS erwarte von der neuen Regierung eine Fortsetzung der "harten
Politik der Verteidigung der Interessen unseres Landes", sagte Kaczynski.
Die Beziehungen zwischen dem liberalen Wahlsieger Donald Tusk und der
deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel seien nicht so, "wie sie zwischen
den Führern zweier souveräner Staaten sein sollten".
Polen vor möglicher Kursänderung
Als wahrscheinlichster
Koalitionspartner der PO gilt die moderate Bauernpartei PSL, mit der sie auf
lokaler Ebene schon Bündnisse geschlossen hat. Die PO-Führung kündigte an,
vor dem 10. November werde es keine definitive Koalitionsentscheidung geben.
Die Verfassung legt fest, dass sich das Parlament spätestens 15 Tage nach
den Wahlen konstituieren muss, also am 5. November. Allgemein wird eine
überaus schwierige "Kohabitation" zwischen der künftigen
Regierung und dem bis 2010 amtierenden Präsidenten erwartet.
Nächste Seite: "Fehler in der Demokratie"
Nach dem am Dienstag in Warschau kundgemachten Endergebnis der Wahlen vom Sonntag bekam die Bürgerplattform 41,51 Prozent der Stimmen und damit 209 der insgesamt 460 Abgeordnetensitze im Unterhaus (Sejm). Die bisher regierende nationalkonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) von Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski, dem Zwillingsbruder des Staatsoberhauptes, erhielt 32,11 Prozent und 166 Sitze. Nur zwei weiteren Listen ist es gelungen, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen: Das Mitte-Links-Bündnis Linke und Demokraten (LiD) erzielte 13,15 Prozent (54 Sitze), die Bauernpartei PSL 8,91 Prozent (30 Sitze). Die vormaligen PiS-Koalitionspartner, die radikale Bauernpartei Samoobrona und die nationalklerikale Liga Polnischer Familien, sind nicht mehr im Parlament vertreten.
"Fehler in einer Demokratie"
Kaczynski hat Tusk und
dessen Bürgerplattform unterdessen beschuldigt, die von der bisherigen
Regierung propagierte "Vierte Republik" zerstören zu wollen. Eine
Beteiligung seiner Partei an einer Regierungskoalition mit der PO schloss
Kaczynski aus. Die PiS werde in die Opposition gehen, betonte der Premier am
Dienstag im Rundfunk. Das Wahlergebnis sei ein Beweis dafür, "dass
in einer Demokratie Fehler passieren", sagte er.
Mitspracherecht von PiS
PiS-Vertreter pochen inzwischen auf ein
Mitspracherecht des Staatspräsidenten bei der Besetzung der
Schlüsselressorts. "Wenigstens die Ernennung des Außen- und des
Verteidigungsministers sollte mit dem Präsidenten abgestimmt werden",
forderte Geheimdienstminister Zbigniew Wassermann in einem Radiointerview.
Der PiS-Europaabgeordnete Ryszard Czarnecki verlangte ein präsidentielles
Aufsichtsrecht auch für das Geheimdienst- und das Innenressort. Nach
Informationen der Zeitung "Dziennik" könnte das Außenministerium
zum ersten Zankapfel werden.
Gesetze durch Veto verzögern
Lech Kaczynski, der sich seit
dem Wahltag nicht mehr öffentlich geäußert hat, kann durch sein Vetorecht
Gesetze verzögern oder sogar verhindern. "Ich werde meine
konstitutionellen Rechte wahrnehmen", hatte er bereits vor der Wahl für
den Fall eines Oppositionssieges angekündigt. Ein Veto des Staatspräsidenten
kann laut Verfassung vom Parlament zu Fall gebracht werden - allerdings nur
mit Dreifünftelmehrheit. Diese würde die PO auch gemeinsam mit ihrem
gewünschten Koalitionspartner PSL nicht zusammenbringen. Wenn sie sich nicht
mit dem Präsidenten und der PiS verständigen kann, müsste sie also mit dem
linksliberalen Wahlbündnis LiD verhandeln. Die PiS würde ihr dann wie schon
früher den Vorwurf machen, mit ehemaligen Kommunisten zu paktieren.