Der kanadische Ministerpräsident Stephen Harper hat sich formell bei den indianischen Ureinwohnern für erlittenes Unrecht entschuldigt
Kanada hat sich bei seinen Ureinwohnern öffentlich für das ihnen zugefügte Unrecht entschuldigt. In einer historischen Erklärung vor dem Parlament räumte Ministerpräsident Stephen Harper am Mittwoch ein, dass sein Land vom 19. Jahrhundert bis in die 1970er Jahre mehr als 150.000 Kinder von Ureinwohnern zwangsweise in staatliche christliche Internate einwies. Dort waren viele von ihnen körperlicher und sexueller Misshandlung ausgesetzt.
Trauriges Kapitel
Harper sprach von einem sehr traurigen Kapitel
in der Geschichte Kanadas. Dies erfordere eine Wiedergutmachung. Die
Regierung zahlt Betroffenen, die aus ihrer Familie gerissen wurden, als Teil
einer außergerichtlichen Einigung eine Entschädigung mit einem Volumen von
insgesamt fünf Milliarden kanadischen Dollar (3,2 Milliarden Euro). Mehr als
200 ehemalige Internatsschüler waren am Mittwoch zu der Feierstunde ins
Parlament eingeladen, viele weitere hatten sich vor dem Gebäude versammelt
und ein zeremonielles Feuer entfacht.
Die Entfernung von Kindern aus ihren Familien sollte seinerzeit dazu dienen, die Indianer besser in die kanadische Gesellschaft zu integrieren. Mehr als 80.000 der Betroffenen leben noch. Vor zehn Jahren hatte die Regierung bereits eingestanden, dass Misshandlungen in den Internaten weit verbreitet waren. Viele ehemalige Schüler haben berichtet, dass sie geschlagen wurden, wenn sie in ihrer Muttersprache redeten, dass sie häufig Hunger leiden mussten und mit der Zeit den Kontakt zu ihren Eltern und deren Kultur verloren. Indianische Führer machen dieses Trauma für grassierenden Alkoholismus und Drogenmissbrauch in den Reservaten mitverantwortlich.
Wahlrecht erst 1960
Bis 1960 durften Ureinwohner in Kanada nicht
wählen. 1998 äußerte die damalige Ministerin für indianische
Angelegenheiten, Jane Stewart, "tiefes Bedauern" für die Einrichtung der
umstrittenen Internate, doch betrachteten die Indianer diese Erklärung als
nicht ausreichend. Über die formelle Entschuldigung vom Mittwoch hinaus soll
nun eine Wahrheits- und Versöhnungskommission die damalige Regierungspolitik
untersuchen und Aussagen Überlebender anhören.
Erst im Februar hatte sich Australien in einem ähnlichen Schritt bei den Ureinwohnern des Landes für deren langjährige unwürdige und erniedrigende Behandlung und den dadurch zugefügten großen Schmerz entschuldigt.