Die meisten der 103 Kinder im Tschad sind keine Vollwaisen. Sarkozy verlangt die Freilassung der inhaftierten Journalisten. Sudan will die Auslieferung.
Die meisten der 103 Kinder, die von der französischen Hilfsorganisation "L'Arche de Zoé" aus dem Tschad nach Europa gebracht werden sollten, sind keine Vollwaisen. 91 der Mädchen und Buben im Alter von ein bis zehn Jahren haben in Gesprächen mit Hilfsorganisationen angegeben, mindestens noch ein Elternteil oder eine eng verwandte familiäre Bezugsperson zu haben. Den Mitarbeitern der Hilfsorganisation drohen wegen Kindesentführung bis zu 20 Jahre Haft und Zwangsarbeit.
Kinder nicht aus Darfur
Die meisten Kinder stammten zudem
offenbar nicht aus der sudanesischen Bürgerkriegsprovinz Darfur, wie von
"Arche de Zoé" behauptet, sondern aus dem tschadischen Grenzgebiet, wie das
Kinderhilfswerk UNICEF, das UNO-Flüchtlingskommissariat UNHCR und das
Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) am Donnerstag gemeinsam
erklärten. 85 gaben an, schon seit längerem im Gebiet von Adre und Tine zu
leben. Beide Orte liegen im Tschad. Da es in der Region seit Jahren vielen
zehntausende Flüchtlinge gibt, könnten die Kinder allerdings auch
ursprünglich aus dem Sudan stammen, wie die Organisationen betonten.
"Beihilfe zur Enführung"
Unterdessen ist auch der
belgische Pilot der französischen Hilfsorganisation unter Anklage gestellt
und inhaftiert worden. Ihm werde "Beihilfe zur Entführung Minderjähriger"
vorgeworfen, sagte ein Justizsprecher am gestrigen Mittwoch in der
Hauptstadt N'Djamena. Vor dem Piloten wurden bereits 18 andere Beschuldigte
angeklagt, neun Franzosen, sieben spanische Crew-Mitglieder und zwei
mutmaßliche Helfer aus dem Tschad. Unter den Beschuldigten sind auch drei
französische Journalisten. Den Angeklagten drohen lange Haftstrafen und
Zwangsarbeit.
Elysee-Palast schaltet sich ein
In die Affäre hat sich auch
Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy eingeschaltet: nach Angaben des
Elysee-Palastes rief er den tschadischen Präsidenten Idriss Déby am Mittwoch
in einem Telefongespräch auf, die verhafteten Journalisten "so rasch als
möglich freizulassen". "Präsident Deby hat erklärt, er werde sein
Möglichstes tun, um sie zu befreien", betonte der Sprecher des Präsidenten,
David Martinon, in einer Aussendung.
Sudan fordert Auslieferung
Der Fall zieht indessen weite Kreise:
Der Sudan fordert die Auslieferung der bei der Aktion festgenommenen
Mitarbeiter. Ein Minister der Regierung reiste deshalb mit einer Delegation
in die Hauptstadt des Nachbarlandes, N'Djamena. Der französische Botschafter
wurde in Khartoum aus Protest einbestellt. Die Republik Kongo untersagte
unterdessen Adoptionen durch Ausländer bis auf weiteres. Dies sei eine
Vorsichtsmaßnahme, erklärte der kongolesischen Justizminister Emmanuel Aime
Yoka am Mittwochabend. Es gibt offenbar Befürchtungen, dass es zu
Kindesentführungen oder einem Handel mit Kindern kommen könnte.
Besseres Leben für Kinder
Arche de Zoé hatte vergangene
Woche versucht, über 100 Kinder aus Darfur nach Frankreich auszufliegen. Die
Organisation wollten den angeblichen Vollwaisen damit nach eigenen Angaben
ein besseres Leben ermöglichen. Hilfsorganisationen kritisierten die
Vorgehensweise der Gruppe heftig. Der tschadische Präsident Deby hatte von
einem klaren Fall von Entführung gesprochen. Die französischen Behörden
hatten die Pläne der Hilfsorganisation ebenfalls kritisiert.
Französische Diplomaten erklärten, sie hätten die Gruppe seit Monaten gewarnt, ihre Pläne nicht umzusetzen. Christophe Letien, Sprecher der Organisation, betonte, die Absichten der Aktion seien rein humanitär gewesen.