Abgelehnt

Klare Absage an Ausländerreferendum in der Schweiz

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Bei einer Volksabstimmung wurde ein neues, umstrittenes Einbürgerungsverfahren abgelehnt. Die SVP wolte das alte Verfahren verschärfen.

Die erfolgsverwöhnte Schweizerische Volkspartei (SVP) hat am Sonntag ausgerechnet in ihrem Kerngeschäft Ausländerpolitik eine klare Referendumsniederlage einstecken müssen. 64 Prozent der Schweizer stimmten laut Hochrechnungen gegen die SVP-Vorlage für "demokratische Einbürgerungen", mit der kommunale Volksabstimmungen über Einbürgerungsgesuche ermöglicht werden sollte. Auch bei den zwei anderen zur Abstimmung stehenden Vorlagen setzte es empfindliche Niederlagen für die SVP.

Willkürliche Praxis
Die im Jahr 2003 vom Schweizer Höchstgericht abgeschaffte Praxis von "Einbürgerungen an der Urne" war als willkürlich und rassistisch kritisiert worden. Es zeigte sich nämlich, dass Anträge von Menschen aus den Balkanländern fast immer abgelehnt wurden, während italienische Antragsteller gute Erfolgsaussichten hatten. Die SVP argumentierte dagegen, dass mit den Gemeindeabstimmungen der Einbürgerung von Kriminellen ein Riegel vorgeschoben werden könne. Wer Schweizer werden wolle, müsse um Zustimmung werben. In der Schweiz werden verhältnismäßig wenige Menschen eingebürgert, doch hat sich die Zahl der Einbürgerungen von 10.000 (1992) auf 45.000 (2007) deutlich erhöht.

Bei den beiden anderen Vorlagen ging es um einen "Maulkorb" für Regierungspolitiker in Referendumskampagnen sowie einen neuen Verfassungsartikel zum Gesundheitswesen, der unter anderem die Wettbewerbsorientierung des Gesundheitssystems festschreiben wollte. Die Initiativen wurden mit 74 bzw. 69 Prozent der Stimmen abgelehnt. Alle drei Vorlagen scheiterten am Ständemehr, der erforderlichen Zustimmung der Hälfte der 26 Kantone.

Linksparteien erleichtert
Gewerkschaftsvertreter und Linksparteien zeigten sich erleichtert über die Ablehnung der Einbürgerungsinitiative. Das "Forum für die Integration von Migranten" sprach von einer Niederlage der Politik der "Instrumentalisierung" der SVP. Mit der Ablehnung der SVP-Initiative, "sogar in jenen Kantonen, die eher gegen eine Öffnung sind, gibt uns das Schweizer Stimmvolk die Möglichkeit, das negative Bild der Migranten umzustoßen", sagte Forums-Vertreter Antonio Da Cunha.

"Wir hatten eine breite Front gegen uns und mussten damit rechnen", zeigte sich SVP-Vizepräsident Adrian Amstutz wenig erstaunt über die klare Ablehnung der Einbürgerungsinitiative. Er kündigte an, weiter für eine Verschärfung von Einbürgerungen kämpfen zu wollen. "Wir müssen dafür sorgen, dass kriminelle Ausländer nicht in der Schweiz bleiben können", sagte auch SVP-Nationalrat Luzi Stamm im Schweizer Radio DRS.

Doch selbst in der Luzerner Gemeinde Emmen, die den Anlass für das Höchstgerichtsurteil gegen Einbürgerungen an der Urne geliefert hatte, wurde die SVP-Initiative nur knapp mit 51 Prozent der Stimmen gutgeheißen. Dort wurden seit 1999 Volksabstimmungen über Einbürgerungen durchgeführt. Nach Beschwerden stoppte das Schweizer Bundesgericht die Abstimmungen, weil sie gegen das in der Verfassung verankerte Willkürverbot verstießen, und verpflichtete die Gemeinden zu rechtsstaatlichen, überprüfbaren Verfahren.

Niederlage für SVP
Die SVP, die ihren politischen Aufstieg vor allem erfolgreichen Referendumskampagnen verdankt, musste selten gleich drei Niederlagen an einem Abstimmungssonntag hinnehmen. In Ausländerfragen war sie bisher besonders erfolgreich. Zwar waren ihre beiden früheren Volksinitiativen ("gegen die illegale Einwanderung", "Asyl-Initiative") 1996 und 2002 mit 46,3 respektive 49,9 Prozent Ja relativ knapp an der Urne gescheitert. Dafür gelang es der SVP im Jahr 2004 im Alleingang, zwei Vorlagen zur erleichterten Einbürgerung junger Ausländer zu kippen. Im Jahr 2006 setzte sie das Ausländergesetz und die Asylgesetz-Verschärfung durch. Im Alleingang setzte die SVP zudem die Verwahrungsinitiative im Jahr 2004 durch.

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