Tausende Anhänger Chen Shui-bians demonstrierten gegen das Urteil.
Ein Jahr nach dem Ende seiner Amtszeit (2000-2008) ist der ehemaliger taiwanesische Präsident Chen Shui-bian am Freitag wegen Korruption zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das noch nicht rechtskräftige Urteil gilt als wichtiger Einschnitt in der turbulenten politischen Entwicklung der Insel. Chen hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen und sieht sich selbst als Opfer politischer Verfolgung. Vor dem Gerichtsgebäude in Taipeh demonstrierten hunderte Unterstützer des Unabhängigkeitsbefürworters und forderten seine Freilassung.
Korruptions-Vorwürfe
Chen, der erste Insel-Präsident, der
nicht der Nationalen Volkspartei (Kuomintang/KMT) des jetzigen Staatschefs
Ma Ying-jeou angehörte, habe dem Land schweren Schaden zugefügt, und seine
Frau sei an den korrupten Geschäften beteiligt gewesen, sagte ein
Gerichtssprecher. Beide wurden zusätzlich zu einer Geldstrafe von insgesamt
500 Millionen Taiwan-Dollar (10,45 Millionen Euro) verurteilt. Der
58-jährige Ex-Präsident nahm auf eigenen Wunsch nicht an der
Urteilsverkündung teil. Er ist seit Ende Dezember vergangenen Jahres in Haft.
Wenige Erfolge als Präsident
Chens spektakulärer Wahlsieg im
Jahr 2000 hatte ein halbes Jahrhundert Kuomintang-Herrschaft auf der Insel
beendet. Mit seinem politischen Kurs, die "taiwanesische Identität" und die
Bedrohung durch das kommunistische Festland in den Mittelpunkt zu rücken,
erlitt er letztlich Schiffbruch. Ökonomisch hatte Chen nicht viel erreichen
können, da die weltweite Konjunkturschwäche auch Taiwans Wirtschaft traf. Er
hatte seine politische Karriere im Stadtrat von Taipeh begonnen und war 1989
ins Parlament gewählt worden. 1994 wurde er der erste frei gewählte
Bürgermeister der Hauptstadt. Wie seine Demokratische Fortschrittspartei
(DPP) hat Chen seine Wurzeln in der Unabhängigkeitsbewegung, musste sich
nach seiner Wahl 2000 aber vom Idealisten zum Realpolitiker wandeln.
Die DPP tritt für die Eigenstaatlichkeit der Insel ein, während die KMT ebenso wie Peking die staatsrechtliche Zugehörigkeit Taiwans zu China verficht. Bis zu ihrer Niederlage im Bürgerkrieg vor sechzig Jahren hatte die Kuomintang ganz China autoritär regiert; nach dem Sieg der Kommunisten 1949 zog sich die Nationalregierung von Diktator Tschiang Kai-schek auf die Insel zurück. Die Nationalisten betrachteten sich weiter als legale Regierung der "Republik China", während in Peking die Volksrepublik China errichtet wurde. Bis 1971 hatte die nationalchinesische Regierung den UNO-Sitz Chinas inne.