Saddam-Prozess

Pressestimmen zum Todesurteil

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Die internationale Presse über das Todesurteil für Saddam Hussein.

"Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ):
"Ein Gericht hat gegen den früheren irakischen Diktator die höchstmögliche Strafe verhängt. Seit gut zwei Jahrzehnten haben alle europäischen Institutionen alles daran gesetzt, dass die Todesstrafe aus grundsätzlichen Bedenken heraus abgeschafft wird. Dass damit rechtskräftig verurteilte Großverbrecher vor dem Todesurteil bewahrt wurden, hat die europäischen Institutionen nicht verstört oder gar von ihrem Grundsatz abgebracht. Ein unschädlich gemachter, also inhaftierter Verbrecher 'verdient' nach europäischer Überzeugung nicht mehr den Tod. Also gibt es aus europäischer Sicht auch keinen Grund, den gestrigen Tag als einen 'guten Tag für das irakische Volk' zu bezeichnen. Dessen Problem ist es doch gerade, dass Menschenleben gering geachtet werden. "

"die tageszeitung" (taz) (Berlin):
"Das Todesurteil kam am Ende so wenig überraschend wie die Schreie, mit denen der ehemalige Diktator den Richter bei der Urteilsbegründung zu unterbrechen suchte. Darüber hinaus ist die mit dem Prozess verfolgte Absicht längst überholt. Neben dem rechtlichen Aspekt einer Schuldfindung sollte hier Geschichte aufgearbeitet werden. Das Verfahren sollte gar einen ersten Schritt zur Aussöhnung darstellen. Heute steht das Zweistromland stattdessen vor dem Zerfall. Nicht mehr Saddams Schergen, sondern schiitische Todesschwadronen und sunnitische heilige Krieger bestimmen das Bild. Die Lage ist so verfahren, dass sogar der Vorwurf der Siegerjustiz, der am Anfang des Prozesses erhoben wurde, inzwischen eher absurd erscheint."

"Leipziger Volkszeitung":
"Für US-Präsident Bush ist die Verurteilung Saddams ohne Frage ein dringend benötigter politischer Erfolg. Doch wird er eben dadurch geschmälert, dass der vom Diktator befreite Irak nach wie vor unregierbar ist. An die Stelle des einstigen Erzfeindes sind mit dem Iran und Nordkorea zwei neue in den Mittelpunkt gerückt. Mehr noch, die Fähigkeit der Supermacht USA und ihrer Verbündeten, Krisen zu regeln, hat im Irak Schaden genommen. Die vermeintliche 'Achse des Bösen' ist mit militärischer Gewalt allein nicht zu zerschlagen."

"Frankfurter Rundschau":
"Was immer das Todesurteil für den Irak bedeuten mag, im US-Wahlkampf war es seit langem die beste Nachricht aus Bagdad für George W. Bush und seine Republikaner. Für wen aber ein Galgen schon ein Zeichen der Hoffnung ist, um den steht es nicht gut. Das Weiße Haus kann die US-Nation nun pünktlich zum Urnengang daran erinnern, im Irak zumindest einen skrupellosen Gewaltherrscher beseitigt zu haben. Die Gewalt aber blieb dem geschundenen Land erhalten. Dem Terror aus den Palästen folgte der Terror der Autobomben und Todesschwadronen. Die meisten Amerikaner dürften das Urteil als gerechte Strafe betrachten. Ob sie auch Genugtuung empfinden, ist eine ganz andere Frage. Auch glühender Patriotismus verzeiht es auf Dauer nicht, einen Krieg anzuzetteln, den man dann nicht gewinnt. Dem Irak-Abenteuer aber kamen nicht nur alle Begründungen abhanden, sondern längst auch jede Aussicht auf alles, was ein für Amerika halbwegs befriedigender Erfolg sein könnte."

"Süddeutsche Zeitung" (München):
"Weit wichtiger als die Art, auf die der hunderttausendfache Menschenschlächter Saddam Hussein aus dem Leben scheidet, wird etwas anderes sein: Die Antwort auf die Frage nämlich, ob dieser Richterspruch als fair anerkannt werden wird und so einen Beitrag leistet zum Frieden im Irak, oder ob er nur eine neue Gewaltwelle auslösen wird. 'Ein Todesurteil würde die Tür zur Hölle aufstoßen im Irak und in den Nachbarstaaten', hatte Saddams Anwalt vor dem letzten Prozesstag prophezeit. Es spricht viel dafür, dass der Anwalt zumindest in Teilen Recht behalten wird..."

"Tages-Anzeiger" (Zürich):
"Der Prozess gegen den Tyrannen vom Tigris hat viele Erwartungen nicht erfüllt, die die amerikanischen und irakischen Architekten dieses Sondergerichts damit verknüpft haben. (...) Das Verfahren hat zudem die Anforderungen nicht erfüllt, die an einen fairen und unparteiischen Prozess zu stellen sind. Überschattet von mehreren Morden war es vielmehr das Spiegelbild eines Landes, in dem keine Institution wirklich funktioniert. Es hat das Vertrauen der Iraker und Irakerinnen in die Justiz nicht gestärkt und damit die tiefe Kluft im Land nicht kleiner gemacht."

"Gazeta Wyborcza" (Warschau):
"Man kann dem Tribunal Fehler unterstellen, aber den Prozess und seine Rechtskräftigkeit muss man akzeptieren. Selbst wenn nur ein Zehntel der Vorwürfe zutrifft, verdiente Saddam die höchste im irakischen Gesetz vorgesehene Strafe. Das ist der Tod durch den Strang. Und wieder - werden europäische Standards angewendet - lässt sich dieses Urteil verurteilen. Die Verteidiger der Menschenrechte schreiben bereits Petitionen, um den Verurteilten zu retten. Es ist leicht, die Todesstrafe prinzipiell abzulehnen, wenn man in einem ruhigen und relativ rechtsstaatlichen Land in Europa im 21. Jahrhundert vor dem Fernseher sitzt. Leider ist Bagdad eine andere Welt und eine völlig andere Epoche."

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