Italien

Richter protestierten gegen Berlusconi

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Richter und Staatsanwälte verließen geschlossen den Saal, als sich Vertreter des Justizministerims zu Wort meldeten.

Richter und Staatsanwälte in Italien haben am Samstag in einer ungewöhnlichen Aktion gegen politische Einmischung in die Justiz protestiert. In den meisten italienischen Großstädten verließen sie beim traditionellen Neujahrsempfang der Justiz demonstrativ und geschlossen den Saal, als die Vertreter des Justizministeriums sich zu Worte meldeten. Dabei hielten die Richter gut sichtbar eine Ausgabe der italienischen Verfassung in ihren Händen. Andere Richter erschienen in schwarzen Roben, statt in den sonst bei Empfängen üblichen roten Fest-Roben.

Autonomie in Gefahr
Der Oberstaatsanwalt von Turin, Giancarlo Caselli, warnte vor den Folgen der Justizreform, an der die Regierung Berlusconi arbeite. Er warnte insbesondere vor dem Plan der Regierung, die Berufskarrieren von Staatsanwälten und Untersuchungsrichtern auf der einen Seite und den Richtern auf der anderen Seite zu trennen. Das italienische Justizsystem brauche zwar dringend organisatorische Reformen, die eine Beschleunigung der Prozesse ermöglichen und das System entbürokratisieren können. Die Autonomie des Richterstands dürfe jedoch keineswegs infrage gestellt werden, sagte er.

Von unerträglichen Auseinandersetzungen zwischen Richterstand und Politik sprach der erste Präsident des Kassationsgerichts in Rom, Vincenzo Carbone. Er sprach sich zwar für eine Reform des Justizsystems aus, die jedoch mit der Zustimmung des Richterstands erfolgen sollte. Die Kosten, die Italien für die Ineffizienz des Justizsystems und die langen Prozesse zahle, seien enorm. Diese Ineffizienz sei jedoch nicht auf "unproduktives Verhalten" der Richter und Staatsanwälte zurückzuführen, wie die Politik oft suggeriere, so Carbone.

Entrüstete Reaktionen
"Eine konstruktive Reform des Justizsystems braucht den positiven Beitrag aller Institutionen im Einklang mit den jeweiligen Kompetenzen", erklärte der Vizepräsident des Obersten Richterrats CSM, Nicola Mancino. 2010 solle ein Jahr der Reformen sein, und die Richter wollten ihren Beitrag zur Justizreform leisten, versicherte Mancino.

Der Protest der Richter löste fast schon naturgemäß und automatisch entrüstete Reaktionen in Regierungskreisen aus. "Der Richterverband ist zu einem politischen Organ der Linken geworden", wiederholten Sprecher der Berlusconi-Partei "Volk der Freiheit" (PdL) ihre seit Jahren approbierten Slogans. Hinter die Richter stellte sich dagegen die Linke. Berlusconi wolle seine Reform durchsetzen, um sich und seinen Angehörigen gefährliche Korruptionsprozesse zu ersparen.

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