Sibirien-Connection

Skandal um Frankreichs Atommüll

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Seit den 90er Jahren lagert Paris Atommüll in Sibirien - offen auf Parkplätzen.

Frankreich will die möglicherweise unsachgemäße Versendung von hunderten Tonnen Nuklearabfällen nach Russland untersuchen lassen. Das kündigte Umweltstaatssekretärin Chantal Jouanno am Dienstag an. "Wir dürfen nicht den Hauch eines Verdachts bestehen lassen, dass es ein Problem gibt", sagte Jouanno dem Radiosender France-Info. Die Atomtechnologie müsse "völlig transparent" sein.

Offene Lagerung in Sibirien
Einem Bericht der Zeitung "Liberation" und des Senders Arte zufolge werden seit Mitte der 90er Jahre jährlich 108 Tonnen abgereichertes Uran aus französischen Atomkraftwerken in Containern nach Sibirien gebracht. Dort wurde der Abfall zuletzt auf einem Parkplatz offen gelagert.

Der Energiekonzern EDF, der die französischen Atomkraftwerke betreibt, hat die Darstellung jedoch als "völlig unzutreffend" zurückgewiesen. Das Material sei kaum noch radioaktiv und werde nicht ungeschützt gelagert, sagte der Chef der Abteilung für nuklearen Brennstoff, Sylvain Graner. Der Transport des kaum mehr angereicherten Urans sei internationaler Standard und werde auch von deutschen, niederländischen oder US-Unternehmen vorgenommen. Der Dokumentarfilm einer "Libération"-Journalistin zu dem Vorgang sollte am (heutigen) Dienstagabend um 21.00 Uhr im Kultur- und Informationssender Arte ausgestrahlt werden.

Der technische Hintergrund wird von beiden Seiten unterschiedlich bewertet. Laut EDF ist das nach Sibirien verfrachtete Uran und auch die kleine Menge Plutonium, das als Abfallprodukt in den Atomkraftwerken anfällt, nur von geringer Radioaktivität und wird in Russland zur Wiederverwertung aufbereitet. Laut "Liberation" ist die Deponie Tomsk-7 bei der russischen Firma Tenex jedoch die Endstation des nuklearen Abfalls, der dort an der Luft "auf großen Parkplätzen" gelagert werde.

Streit um Rohstoff-Qualität
EDF und Areva, die französischen Atomkonzerne, sehen in dem Abfall einen Rohstoff. Experten und Umweltschützer bezeichnen das Material jedoch als nicht wiederverwertbar. Es sei wie eine bereits zwei Mal ausgepresste Orange, die kaum mehr Saft liefern könne. EDF-Direktor Granger sagte dagegen, dass 20 Prozent der französischen Atomenergie aus wiederaufbereiteten Nuklearabfällen hergestellt werde. Welchen Anteil dabei jene Abfälle haben, die nach Sibirien verschickt und nicht von Areva in Frankreich aufbereitet werden, blieb unklar.

Der Bericht hat im französischen Umweltministerium jedenfalls für Unruhe gesorgt. "Man konnte mir die Informationen weder bestätigen noch widerlegen. Also braucht es eine Untersuchung", sagte Jouanno, die gleichzeitig die Notwendigkeit der Kernkraft bekräftigte.

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