100.000 belauscht?

Spionageaffäre erschüttert italienische Politik

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Der Fall um illegale Abhörungen von Großunternehmern, Politikern und Journalisten droht in Italien zu einem der größten Skandale seit Jahren aufzurücken.

Im Schatten der Telecom Italia soll über fast zehn Jahre hinweg ein Spionagezentrum gewachsen sein, welches in der Geschichte des Landes unvergleichlich sei, berichteten die ermittelnden Staatsanwälte.

20 Festnahmen am Mittwoch
Der ehemalige "Sicherheits-Chef" der Telecom, Giuliano Tavaroli, der am Mittwoch mit weiteren 19 Personen festgenommen worden war, hatte zu seinen Diensten 500 Angestellte der Telecom gehabt, um Informationen zu sammeln. Schweren Verdacht lastet auch auf den am Freitag zurückgetretenen Telecom-Präsidenten Marco Tronchetti Provera, der laut Gerüchten rivalisierende Unternehmer belauscht haben soll.

Auch VIPs belauscht
Die illegal Abgehörten, darunter Spitzenunternehmer wie Carlo De Benedetti, Diego Della Valle und Gilberto Benetton, beliefen sich auf mehr als 100.000. Zudem seien durch Bestechung Nachrichten über die Datenbanken des Innen-, Wirtschafts- und Justizministeriums ge- und verkauft worden. Diese große gesetzeswidrige private Telecom-Datenbank habe eine direkte Verbindung zu dem italienischen Geheimdienst Sismi gehabt.

"Anschlag auf die Demokratie"
"Dieser Fall ist schlimmer als der Skandal um die Geheimloge P2 in den achtziger Jahren", kommentierte der Fraktionschef der Grünen, Angelo Bonelli. "Jahre lang haben Mitarbeiter der Telecom ein geheimes Abhörsystem aufgebaut, das Politik, Unternehmer, Finanz und Institutionen kontrollierte. Der Fall ist absolut gravierend, die Regierung und Präsident Napolitano müssen eingreifen", sagte Bonelli. Die EU-Parlamentarierin Alessandra Mussolini, die im vergangenen Jahr während ihrer Kampagne für die Regionalwahlen bespitzelt worden war, sprach offen von einem "Anschlag auf die Demokratie".

Reaktionen
Justizminister Clemente Mastella setzte seine Inspektoren ein, um zu überprüfen, ob auch Mitarbeiter seines Ministeriums belauscht wurden. Innenminister Giuliano Amato erklärte sich über das Ausmaß der Affäre erschüttert. Jetzt könne man sich erklären, warum in den vergangenen Monaten so viele Auszüge abgehörter Telefongespräche in die Presse gelangt seien. Klarheit verlangt Infrastrukturminister Antonio Di Pietro. "Ein derartiger Spionagering kann nur mit beträchtlichen Geldsummen aufgebaut werden. Wer verfügte über die Infrastrukturen und die Mittel, um dieses Spionagesystem in Betrieb zu halten?", fragte Di Pietro.

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