Zwischen 13.00 und 14.00 Uhr ging nichts in Tschechien: Ein Streik gegen die Regierungsreformen hat das öffentliche Leben lahm gelegt.
Ein einstündiger Warnstreik gegen die Reformen der Mitte-Rechts-Regierung unter dem konservativen Ministerpräsidenten Mirek Topolanek hat am Dienstag das Leben in Tschechien weitgehend lahmgelegt. Nach Angaben der zwei größten Gewerkschaftszentralen nahmen an der Aktion zwischen 13.00 und 14.00 Uhr insgesamt 900.000 Menschen teil. Es handelte sich um die größte Protestaktion in Tschechien seit Anfang der 90er Jahre.
Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel
Die Gewerkschaften
protestieren gegen das am 1. Jänner in Kraft getretene Reformpaket, mit dem
beispielsweise direkte Zahlungen beim Arzt eingeführt wurden und die
Mehrwertsteuer für Nahrungsmittel und Medikamente von fünf auf neun Prozent
erhöht wurde. Außerdem richtete sich der Streik gegen die geplante
Pensionsreform, bei der das Pensionsantrittsalter auf 65 Jahre angehoben
werden soll.
Zahlreiche Berufsgruppen schlossen sich dem Streik an, darunter Industriearbeiter, Bergleute, Gesundheitspersonal, Postbeamte, Lehrer, Staatsangestellte und zum großen Teil auch die Mitarbeiter von Verkehrsbetrieben. Im Eisenbahnverkehr kam es zu schweren Behinderungen: Der Gewerkschaftsbund der Lokführer hatte im Unterschied zu jenem der übrigen Bahnmitarbeiter zum Streik aufgerufen. Etwa 1.000 Zugverbindungen waren unterbrochen oder wurden gestrichen. Ohne Störungen sei nur ein Fünftel der Züge gefahren, darunter vor allem Intercity- und Eurocity-Verbindungen, verlautete aus der Direktion der Tschechischen Bahn (CD).
U-Bahn-Betrieb in Takt
Demgegenüber schlossen sich die
Zugsführer der Prager U-Bahn dem Protest nicht an. Nichtsdestotrotz brach im
Zentrum der Hauptstadt Chaos im Straßenverkehr aus, nachdem Bauern die
Nord-Süd-Magistrale im Zentrum unangekündigt mit Strohballen blockierten.
Die Polizei musste den Verkehr umleiten.
Die Mitarbeiter im Gesundheitswesen streikten fast den ganzen Tag. Bereits in den Morgenstunden legte das Personal in allen elf Universitätskrankenhäusern sowie weiteren Gesundheitseinrichtungen die Arbeit mehr oder weniger nieder. Die Krankenhäuser arbeiteten wie sonst am Wochenende, und auch Notdienste wurden aufrechterhalten. Einige Mitarbeiter beteiligten sich symbolisch an dem Ausstand, indem sie auf ihrer Kleidung die Aufschrift "Streik" trugen.
Regierung gibt Sozialdemokraten die Schuld
Die tschechische
Regierung selbst bezeichnete den Streik im Vorfeld als "politische Aktion",
die von den oppositionellen Sozialdemokraten (CSSD) inszeniert worden sei.
Der Chef des Gewerkschaftsbundes CMKOS, Milan Stech, will sich im Herbst um
seine Wiederwahl in den Senat auf der CSSD-Liste bemühen. Die CSSD und Stech
wiesen die Vorwürfe der Regierung zurück.
Der Minister für Arbeit und Soziales, Petr Necas von Topolaneks Demokratischer Bürgerpartei (ODS), kritisierte den Streik. Es sei "stark übertrieben", ihn als Protest des ganzen Volkes zu bezeichnen. Gleichzeitig drohte er indirekt mit Entlassungen in seinem Ressort. In einem Interview mit dem Tschechischen Rundfunk sagte Necas, er werde die Gewerkschafter auf keine Weise hindern, den Streik zu organisieren. "Allerdings könnte der Protest auch zeigen, dass einige Arbeitsplätze überflüssig sind", so Necas.