Ein Elternprotest führte angeblich zur Absetzung des von Kritikern gelobten Stücks.
Es passiert an den besten Theatern, dass Bühnen Stücke absetzen, weil keine Zuschauer kommen. Doch eine von der Kritik gelobte Geschichte um ein schwules Känguru, die das Theater Baden-Baden inszeniert hat, sorgt für Debatten über die Stadtgrenzen hinaus. Nach zwölf geplanten Aufführungen nimmt Intendantin Nicola May die Story "Ein Känguru wie Du" von Ulrich Hub nicht wieder auf den Spielplan.
"Trotz guter Kritiken blieben die Zuschauer aus. Mehr als sonst mussten Vorstellungen abgesagt werden", teilt das Haus mit. "Mit der Zeit haben wir aber gemerkt, dass es nicht läuft. Es stellte sich heraus, dass Schulklassen es schlicht nicht besuchen", sagt May. Das "Badische Tagblatt" berichtete von Elternprotest, der zur Absetzung führte, von Gegenwind, den Lehrer von Eltern bekamen. Beim Ticketservice und in den theaterpädagogischen Vor- und Nachbereitungen in den Schulen habe das Theater die "vermehrt gespaltenen Meinungen zum Stück bei einigen Lehrern und Eltern" mitbekommen, teilt das Theater mit.
Zwar ist es unter dem Grünen-Regierungschef Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg politisch gewollt, das Thema sexuelle Vielfalt auch mit einem eigens aufgelegten Bildungsplan an Schüler heranzuführen. Doch verordnen lässt sich Toleranz eben nicht. Inzwischen ist der kritisierte Bildungsplan in Kraft, wenn auch - nach Meinung des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) - kaum mit durchschlagender Wirkung.
Akzeptanz ausbaufähig
In Sachen Akzeptanz für andere Lebensweisen gibt es immer noch viel zu tun, wie der Bund-Länder-Koordinator beim LSVD, Rene Mertens, sagt. Auf Schulhöfen seien noch immer Schimpfwörter wie "schwule Sau" verbreitet. Kinder würden homophob gemobbt. Deshalb sei ein solches Theaterprojekt zu begrüßen.
Hub kennt die gespaltenen Meinungen. "Ich bin seit einem Jahr mit dem Buch auf Tour und höre auch manchmal: 'Können Sie bitte aus einem anderen Buch lesen'", sagt der in Berlin lebende Autor. Die Kinder seien angeblich zu klein und würden überfordert. In der Kommentarspalte auf der Internetseite des Verlags liest sich das - neben Lob für die tiefsinnige Geschichte - so: "Wer kleine Kinder mit Schwulsein überfallen will, wählt dieses Buch..."; eine "Kampfschrift für Geschlechterpluralität", schreibt ein Leser.
Hub ist dagegen überzeugt: "Kinder nehmen das anders wahr, unvoreingenommener." Er betont, dass die Handlung mit Altersfreigabe ab acht Jahren sich um Freundschaft drehe - nicht um Schwulsein. Und gespielt werde es auch anderswo. Das SWR-Fernsehen zeigte in einem Beitrag über das offen schwule und boxende "Känguru" Django zudem Kinder, die von ihren eigenen Begegnungen mit Homosexuellen in ihren Familien berichten.
Gute Resonanz in Ulm
Zu sehen sein wird die in Baden-Baden aus dem Programm genommene Inszenierung nun bei den baden-württembergischen Theatertagen in Ulm. Bei dieser Leistungsschau der Südwest-Theater können sich die Organisatoren nicht über mangelnde Resonanz beklagen. Das Stück treffe offenkundig einen Nerv, rege zum Nachdenken an und befasse sich auch mit Schwulenfeindlichkeit, heißt es dort. "Wir wollen einen Dialog in Gang und Fragen des Zusammenlebens auf die Bühne bringen", sagt der Regisseur und Sprecher des Theaters Ulm, Daniel Grünauer.
Und auch in Baden-Baden sieht sich Theaterintendantin May bestärkt. Für den 9. Juli lädt sie ins Theater zu einer szenischen Lesung samt Diskussion zum Thema "Was darf ein Känguru im Kindertheater" ein. Mit dabei sein werde auch Autor Hub. "Wir wollten niemanden verletzen oder provozieren", sagt May. Es gebe ja auch Stücke über Scheidung oder Tod. "Wir wollen eine Handreichung geben, wie man mit dem Thema umgeht. Denn es gibt ja dieses Thema, ob Känguru oder nicht."