Europa schaute gestern gebannt nach London: Doch Mays Brexit-Plan scheiterte wieder.
London. Abermals wurde im britischen Unterhaus über den Brexit-Deal abgestimmt – zumindest über einen Teil davon. Und zwar über die offizielle Austrittserklärung, in der die Bedingungen für den EU-Austritt geregelt sind.
May verknüpfte Votum mit ihrem Politschicksal
Zukunft. Doch Theresa May scheiterte mit ihrem EU-Deal abermals krachend: Mit 286 zu 344 Stimmen fiel ihr Ausstiegsplan nun bereits zum dritten Mal durch. Und das, obwohl sie das finale Voting zum wichtigsten Akt ihres politischen Lebens gemacht und den Ausgang der Abstimmung direkt mit ihrem Verbleib im Amt verknüpft hatte. Wird der Deal angenommen, sagte sie, werde sie sich rasch aus dem Amt zurückziehen. Nun steht sie wieder ohne einen Deal da.
Streit. Eigentlich hätten die Briten bereits gestern, 29. März, um Mitternacht die EU verlassen sollen. Brüssel gewährte jedoch einen Aufschub, verknüpfte diesen aber mit einem Ultimatum: Nur eine Zustimmung des Unterhauses zur ausgehandelten Brexit-Vereinbarung würde einen Aufschub des Austritts bis zum 22. Mai gewährleisten.
Die Abgeordneten lehnten aber ab. Kopfschütteln und völlige Ratlosigkeit auf allen Seiten ist nun die Folge: „Das ist eine schlechte Entscheidung und macht das Chaos nur noch größer“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz.
Diese Möglichkeiten bleiben den Briten nun:
- Bleibt die EU hart, müssten die Briten bis zum 12. April ohne Vereinbarung ausscheiden.
- May könnte Brüssel um einen anderen Brexit-Termin bitten. Bis zum 12. April muss der EU-Wahlleiter wissen, ob die Briten an der Europawahl teilnehmen werden oder doch nicht. Nehmen sie teil, könnte der Brexit-Aufschub bis zu einem Jahr ausgedehnt werden.
- Revolte und Sturz von Theresa May. Ein Interimspremier müsste die Verhandlungen mit der EU führen oder den Weg für ein zweites Referendum frei machen.
- Eine abermalige Abstimmung über den EU-Ausstiegsvertrag am kommenden Montag im britischen Unterhaus.
Fest steht bloß, dass die EU-Regierungschefs am 10. April bei einem Sondergipfel über einen neuen Fahrplan für die Chaos-Briten beraten.
Karl Wendl
Kneissl: "Ausstieg ohne Deal könnte kommen"
oe24.TV: Zum dritten Mal ist Theresa May mit ihrem Brexit-Deal gescheitert. Haben Sie damit gerechnet?
Karin Kneissl: Ich habe schon im Vorfeld davor gewarnt, dass es zu einem harten Brexit, einem Austritt ohne Abkommen, kommen könnte. Heute haben wir das dritte Votum gehabt, das sehr klar ausgegangen ist. Jetzt haben wird noch zwei Wochen Zeit. Höchstwahrscheinlich wird Großbritannien ohne rechtliche Rahmenbedingungen ausscheiden.
oe24.TV: Sie rechnen also fix mit einem harten Brexit?
Kneissl: Der Zeitplan war mit der EU klar abgesprochen, man gab Großbritannien die Möglichkeit, sich zu einigen. Das ist wieder nicht geschehen. Hätten sie für den Deal gestimmt, hätte es eine Verlängerung bis 22. Mai gegeben. Bei einem Negativvoting, wie jetzt geschehen, findet der Austritt am 12. April statt.
oe24.TV: Glauben Sie an keinen weiteren Aufschub?
Kneissl: Nein. Beim außerordentlichen EU-Rat am 10. April wird man zur Kenntnis nehmen, dass Großbritannien am 12. April ausscheidet.
oe24.TV: Alle warnen vor einem harten Brexit. Welche Folgen hätte das?
Kneissl: Großbritannien würde ab sofort nichts mehr ins EU-Budget einzahlen, für heuer sind das 17 Milliarden. Der Status von EU-Bürgern in GB und der von 12.000 britischen Staatsbürger bei uns ist allerdings geregelt. Wir sollten jetzt aber nicht in eine panische Stimmung verfallen. Es wird weitergehen, nur deutlich komplizierter.
oe24.TV: Wie beurteilen Sie Theresa May, ist sie schuld?
Kneissl: Ich habe tiefen Respekt vor ihrer Kraft und Disziplin. Da haben viele Köche den Brei verdorben.