In nur zehn Oktobertagen 1998 verlor Flöttl stolze 639 Millionen Dollar. Gutachter Kleiner kritisiert auch den Arthur Andersen-Verlust-Audit.
Der Sachverständige Fritz Kleiner hat am Donnerstag den angeklagten früheren BAWAG-Vorstand schwer belastet. Der Verlust durch die Sondergeschäfte der Bank mit Wolfgang Flöttl sei durch Kreditvergaben ohne Sicherheiten verursacht worden, mehrere Vorschriften des Bankwesengesetzes seien "gröblichst verletzt" worden, sagte der Gutachter vor Gericht
Unerklärlicher Verlust
Kleiner kann sich in seinem Gutachten
über die Sondergeschäfte der BAWAG mit Wolfgang Flöttl und die
Handelstätigkeit Flöttls den ersten großen Totalverlust des
Investmentbankers mit den BAWAG-Geldern im Herbst 1998 nicht erklären. "Wie
kann das denn sein, dass in zehn Tagen über 700 Mio. Dollar den Bach
hinuntergehen? Ich kann's auch jetzt nicht sagen, wie das passiert ist. Auch
Arthur Andersen kann's nicht sagen", stellte Kleiner am Donnerstag bei
der Präsentation seines Gutachtens im BAWAG-Prozess fest.
Er vermute, dass der Verlust etwas mit dem Leverage Effekt und Margin Calls zu tun habe, also mit der Fremdfinanzierung von Flöttls Spekulationen. Von den damals über 700 Mio. Dollar durch Flöttl verlorenem Geld waren 639 Mio. Dollar von der BAWAG. Die BAWAG habe Wolfgang Flöttl beim Investieren keine Vorgaben gegeben. Flöttl wiederum habe seine "extrem hohe Risikostrategie", auf einen fallenden Yen bzw. steigenden Dollar zu setzen, zwei Jahre lang unbeeinflussbar stur durchgezogen. "Ich bezeichne diese Situation als casino-artig", sagte Kleiner in seinem Vortrag vor Gericht. "Eine Bank hat aber im Casino nichts verloren".
Menschliche Reaktion von Flöttl
"Die Verträge der
BAWAG mit Flöttl überließen Flöttl jede Freiheit",
kritisierte der Gutachter. Die Geheimhaltung der Verluste in der BAWAG habe
allerdings funktioniert, merkte er ironisch an. Die BAWAG habe immer ihre
Verluste selbst bezahlt, mit geringen Ausnahmen der von Flöttl übertragenen
Vermögenswerte. Flöttl habe nach dem ersten großen Totalverlust im Herbst
1998 Bilder und Liegenschaften "aus rechtlich nicht nachvollziehbaren,
aber menschlich schon nachvollziehbaren Gründen" der BAWAG
übertragen.
Kein Anhaltspunkt für missbräuchliches Verhalten
Bei
der Untersuchung des Handelsverhalten Flöttls habe er "keinen
Anhaltspunkt" gefunden, dass Flöttl das eingesetzte Kapital
missbräuchlich verwendet habe. Die in Stichproben nachgerechneten
Transaktionen seien korrekt abgerechnet worden. Allerdings sei für ihn das
Handelsverhalten Flöttls "nicht nachvollziehbar": Flöttl habe
seine Strategie, auf den fallenden Yen zu setzen, stur durchgesetzt, aber
offenbar den Überblick völlig verloren. "Man kann auch als
Gutachter aus der Provinz draufkommen, dass es keine Strategie dafür gibt",
kommentierte Kleiner. "Es ist für mich nicht vorstellbar, dass Flöttl
den Überblick über die eingesetzten Finanzinstrumente und die eingegangenen
Risken aufrecht erhalten konnte".
Kleiner kritisiert Arthur Andersen-Audit
Die
Wirtschaftsprüfungskanzlei Arthur Andersen hatte für die BAWAG zum ersten
großen Totalverlust ein Verlust-Audit (Bestätigung) erstellt, das dem
Gutachter Kleiner vorliegt. Darin hätten die Prüfer festgestellt, "dass
das Geld weg ist", so Kleiner. Im Gutachten fehle ein
Vermögens-Anfangs- und -Endbestand, kritisierte er das Audit. Arthur
Andersen war auch Flöttls Wirtschaftsprüfer. "Das kommt mir
seltsam vor", meinte Kleiner, vermutlich sei daher die Tätigkeit als
Auditor vom US-Code of Ethics nicht gedeckt. "Mir ist nicht klar, wie
die BAWAG akzeptieren konnte, dass Andersen prüft, wissend dass Andersen für
Flöttl tätig war".
Das ehemals angesehene Wirtschaftsprüfungsunternehmen Arthur Andersen, das 2002 im Zuge des Enron-Skandals wegen Behinderung der Justiz verurteilt und in weiterer Folge zerschlagen wurde, hatte in den Jahren 1998 und 2000 für die BAWAG Verlust-Audits über die von Flöttl verursachten Verluste erstellt.
Flöttl: Auch andere verloren Geld
Flöttl selber
sage, dass eine "außerordentliche Volatilität in den ersten zehn
Oktobertagen" 1998 zu diesen Verlusten geführt habe. Dadurch habe er in
zehn Tagen 639 Mio. Dollar verloren. Am 23. Oktober 1998 habe Flöttl der
BAWAG mitgeteilt, dass das Kapital der drei Arbitrage-Gesellschaften und vom
Investment "Narrow" verloren sei, erläuterte Kleiner. Flöttl habe
von einem "schwierigen Marktumfeld" gesprochen, auch andere hätten
Geld verloren.
Flöttl habe in dieser Phase vor dem Totalverlust mit verschiedenen Staatsanleihen, darunter auch italienische und deutsche, "sehr schnell" gehandelt. Die Veranlagungsmöglichkeiten für die Arbitrage-Gesellschaften, wo die BAWAG-Gelder gehalten wurden, waren laut dem Sachverständigen "unbeschränkt". Die Formulierung in den Verträgen der BAWAG mit Flöttl habe keine Limits gezeigt, kritisierte er.
So gehts im Prozess weiter
Am Freitag findet keine
Verhandlung statt. Das am Donnerstag präsentierte Gutachten des
Sachverständigen Fritz Kleiner zu den Sondergeschäften der BAWAG mit
Wolfgang Flöttl und der Handelstätigkeit Flöttls wird dann am 28. und 29.
Jänner vor Gericht erörtert, verkündete Richterin Claudia Bandion-Ortner.
Am Montag (21. Jänner) wird sich der Schöffensenat wieder mit dem Geldgeschenk auseinandersetzen, das Elsner dem ehemaligen Konsum-Generaldirektor Hermann Gerharter nach dessen Darstellung in einer Tasche zukommen ließ. Rund 550.000 Euro sollen so in Elsners Büro den Besitzer gewechselt haben, was der frühere BAWAG-Chef jedoch entschieden abstreitet.