Mitarbeiterin Renate Zartler-Schwob wurde heute im BAWAG-Prozess in den Zeugenstand gerufen.
Sie hat tiefe Einblicke in die zeitweise absurd wirkende Abwicklung der Sondergeschäfte der BAWAG mit Wolfgang Flöttl und die Verheimlichung der Verluste gegeben. Als Nachfolgerin von Peter Nakowitz, der 1997 von der Abteilung Beteiligungen ins Generalsekretariat der Bank wechselte, war die langjährige BAWAG-Mitarbeiterin für die konkrete Abwicklung der Geschäfte mit Flöttls Firmen zuständig. Nakowitz habe ihr damals die Kreditunterlagen gegeben und die Geschäfte als "absolut sensibel" bezeichnet, schilderte Zartler-Schwob.
"Besonderes Vertrauensverhältnis" zu Flöttl
Die
große Geheimhaltung sei wegen des medialen Interesses an den ersten
Karibik-Geschäften notwendig, daher dürfe nur ein kleiner Personenkreis in
der Bank davon wissen, sei sie von Nakowitz instruiert worden. Daher habe
sie nur mit ihrer damaligen Chefin Ingrid Winter-Reumann, mit Nakowitz und
mit dem damals für die Abteilung Beteiligungen zuständigen BAWAG-Vorstand
Johann Zwettler darüber gesprochen, sonst mit niemandem. Nakowitz habe ihr
auch die Verträge der Bank mit Flöttl vorgelegt und gemeint, im Normalfall
seien solche Unterlagen viel umfangreicher, in diesem Fall sei dies aber
wegen des "besonderen Vertrauensverhältnisses" zu Flöttl nicht notwendig.
Keine Rede von Millionen-Verlusten
Auch die Verfassung von
Aktennoten mit Anträgen der Fachabteilung an den Vorstand, die von ihr
zeitlich noch vor die bereits vergangene Vorstandssitzung rückdatiert
wurden, gehörte demnach zu Zartler-Schwobs Aufgaben. Die Zeugin schilderte,
dass sie im Oktober 1998 von den ersten Millionen-Verlusten durch Flöttl
nichts erfahren hatte. Ihr sei von ihrer Chefin Winter-Reumann damals
lediglich gesagt worden, dass der Vorstand "Umstrukturierungen" beschlossen
habe und auf sie viel Arbeit zukomme.
"Umstrukturierungen"
Daraufhin habe sie zahlreiche
Zettel, "ungeordnet und umfangreich" über Zahlungsflüsse, Kontoauszüge und
Abrechnungen vom Treasury bekommen. Ihre Chefin Winter-Reumann habe ihr
erklärt, dass nun Kredite an Stiftungen in Liechtenstein gewährt wurden, die
Altkredite an Flöttls Firmen wurden kontomäßig abgedeckt. Über Verluste bei
den Flöttl-Geschäften als Ursache dieser "Umstrukturierungen" habe sie
nichts vermutet, betonte die Zeugin Zartler-Schwob. "Das ist ja ein
Perpetuum Mobile", wunderte sich Richterin Claudia Bandion-Ortner über diese
Geldflüsse: Die Kredite an Flöttl bei der BIF (BAWAG International Finance)
seien durch das Geld der Stiftungen abgedeckt worden, das Geld für die
Stiftungen kam wiederum von der BAWAG.
Anordnungen erfüllt
"Meine Aufgabe war es, Zahlungsflüsse
mit den Kreditlinien in Vereinbarung zu bringen, das habe ich gemacht",
beschrieb Zartler-Schwob ihre Tätigkeit. "Es war ein unübliches,
einzigartiges Geschäft, aber ich hatte keinen Grund, an irgendetwas zu
zweifeln". Die Anweisungen an sie seien immer als Anordnungen bzw.
Beschlüsse vom Vorstand dargestellt worden.
Nakowitz als "Ansprechperson"
Aufhorchen ließ
Zartler-Schwob, als sie auf Befragung durch den Rechtsanwalt des
mitangeklagten Christian Büttner, Erich Müller, erklärte, wer die Anweisung
an das BAWAG-Treasury zur Überweisung von über 500 Mio. Euro im Herbst 1998
unterschrieben habe. Ihrer Erinnerung nach trug die Anweisung die
Unterschriften von Peter Nakowitz und ihrer Chefin, Ingrid Winter-Reumann.
Zartler-Schwob schilderte die Rolle von Nakowitz als ihre "Ansprechperson"
und "verlängerter Arm vom Vorstand". Nakowitz habe immer die Wünsche des
Vorstands überbracht.
Zartler-Schwob wurde in abgesonderter Vernehmung befragt, lediglich Wolfgang Flöttl und Wirtschaftsprüfer Robert Reiter blieben im Gerichtssaal. Am späteren Nachmittag sollen die Angeklagten die Möglichkeit erhalten, zu ihren Aussagen Stellung zu nehmen.