Die EU-Kommission will die Steuerpflicht für Stiftungen präzisieren - Anlassfall ist die Liechtenstein-Affäre. Molterer ist enttäuscht.
Vor der Hintergrund der Debatte über grenzüberschreitende Steuerflucht macht die Europäische Union Druck auf eine Verschärfung der geltenden Zinsbesteuerungsrichtlinie. Die Finanzminister der 27 EU-Staaten forderten die EU-Kommission am Mittwoch auf, bis 30. September einen Bericht über weitere Maßnahmen zur Verschärfung der Richtlinie vorzulegen, wie der zuständige EU-Steuerkommissar Laszlo Kovacs sagte. Innerhalb von maximal einem Monat soll dann die Kommission konkrete Änderungsvorschläge machen. Der von Österreich gewünschte Pilotversuch gegen den Mehrwertsteuerbetrug in der EU erhielt indes nicht die notwendige Unterstützung.
Auf juristische Personen ausweiten
Wie Kovacs sagte, könnte der
Geltungsbereich der EU-Zinsbesteuerung auf juristische Personen ausgeweitet
werden. Dadurch würden auch Stiftungen erfasst. Außerdem könnten andere
Finanzprodukte als Sparkonten der EU-Zinsbesteuerung unterzogen werden,
sagte der Kommissar. "Die Frage des Bankgeheimnisses war keine Diskussion.
Es geht ausschließlich um die Frage des Anwendungsbereichs", sagte
Finanzminister Wilhelm Molterer. Beim Geltungsbereich sei Österreich
"offen". Es gehe dabei nicht um die Frage des österreichischen
Stiftungsrechts, dieses sei "transparent", so der Vizekanzler. "Ich lasse
sicher nicht zu, dass irgendwelche Leute meinen, Österreich sei ein Paradies
für Steuerhinterziehung - ganz im Gegenteil." Österreichische Stiftungen
verwalten mehr als 60 Mrd. Euro, wie viel davon auf EU-Ausländer entfällt,
wurde bisher vom Stiftungsverband nicht bekanntgegeben.
Deutschland drängt auf Verschärfung
Vor allem
Deutschland drängt unter dem Eindruck der Liechtenstein-Steueraffäre auf
eine Verschärfung der EU-Bestimmungen. "Die Dynamik, die entfacht wurde,
muss genutzt werden", sagte Finanzminister Peer Steinbrück. So müsse der
Begriff der Zinseinkünfte erweitert werden, um bestehende
Umgehungsmöglichkeiten zu verhindern. In der Debatte zur Verschärfung der
Richtlinie hätten Luxemburg und Österreich "erkennbare Zurückhaltung"
gezeigt. Er sei aber auch "nicht naiv", betonte der deutsche Ressortchef. So
gebe es eine Problematik, die Drittstaaten wie Schweiz, Liechtenstein,
Andorra, Monaco und San Marino mit einzubeziehen.
Österreich wahrte Bankgeheimnis
Österreich, Belgien und
Luxemburg haben beim Beschluss der EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie 2003 ihr
nationales Bankgeheimnis bewahren können. Anstatt des in anderen EU-Staaten
praktizierten Informationsaustausches über die Konten von Anlegern aus dem
EU-Ausland, heben die drei Staaten eine Quellensteuer ein, die von derzeit
15 Prozent mit 1. Juli auf 20 Prozent und 2011 auf 35 Prozent ansteigt.
Diese Übergangsreglung endet erst dann, wenn die genannten Drittstaaten sich
dem Informationsaustausch anschließen.
Molterer enttäuscht
Das von Österreich und Deutschland
gewünschte Reverse Charge-Pilotprojekt gegen Mehrwertsteuerbetrug bleibt bis
weiteres auf Eis. Die Finanzminister einigten sich nicht auf eine
Aufforderung an die Kommission, Vorschläge für den geplanten Testlauf in
Österreich zu unterbreiten. Molterer sprach von einer "enttäuschenden
Diskussion" aus europäischer Perspektive. Österreich werde bis zur nächsten
Ratstagung im Juni eine Entscheidung treffen, ob das Pilotprojekt auf der
Tagesordnung bleibt. Es müsse klar sein, dass die Kommission das Projekt
unterstütze und es keinen Widerstand von EU-Staaten gebe. Kovacs kündigte
an, er werde im Herbst insgesamt zehn konkrete Gesetzesvorschläge zum Kampf
gegen Mehrwertsteuerbetrug und Steuerhinterziehung machen. Für den bis zu
acht Jahre dauernden Reverse Charge-Versuch müssten letztlich aber alle
EU-Staaten zustimmen, sonst "fällt das zusammen wie ein Kartenhaus".
Die Finanzminister wollen vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise außerdem die Zusammenarbeit der Finanzaufsichtsbehörden verstärken. Wie der slowenische Ratspräsident Andrej Bajuk sagte, sollen die EU-Staaten bis Mitte 2009 sicherstellen, dass EU-Dimension in den Mandaten der zuständigen nationalen Behörden sichergestellt wird. Die EU-Kommission soll überdies gesetzliche Maßnahmen prüfen. Der Informationsaustausch der Behörden soll verstärkt werden. Außerdem sollte eine mögliche Lastenteilung der EU-Staaten im Fall einer Krise geprüft werden.