Am 65. Verhandlungstag im BAWAG-Prozess blieben bei den Befragungen der neun Angeklagten zahlreiche Widersprüche bestehen.
"Quer durch den Gemüsegarten" verlief laut Richterin Claudia Bandion-Ortner am Montag die Befragung zu verschiedenen noch offenen Punkten. Dabei präsentierten insbesondere Ex-BAWAG-Generaldirektor Helmut Elsner und die übrigen BAWAG-Vorstände sowie Elsner und der Spekulant Wolfgang Flöttl immer wieder verschiedene Versionen des Geschehens um die verheimlichten Milliardenverluste.
"Nicht umfassend informiert"
Der ehemalige
BAWAG-Generaldirektor Johann Zwettler, der bereits Ende November ein
Teilgeständnis abgelegt hat, räumte heute ein, dass der Aufsichtsrat über
die Sondergeschäfte mit Flöttl sicherlich nicht umfassend informiert worden
sei. Er selber sei aber auch erst im Zuge der Gerichtsverhandlung
draufgekommen, dass Flöttl zu 100 Prozent in Yen finanziert hat - was dann
zu dem ersten Totalverlust im Oktober 1998 geführt hat. "Man hat dem Herrn
Flöttl eigentlich vertraut", schilderte Zwettler, der Sohn des früheren
BAWAG-Generaldirektors Walter Flöttl habe in der Bank einen "Nimbus" gehabt:
"Dass er so ein Spieler ist, hätte ich nie für möglich gehalten".
Flöttl wiederum beharrte darauf, dass die BAWAG sehr wohl über seine Spekulation auf den Yen-Dollar-Kurs wusste. Laut Flöttl hatte die BAWAG die Auszahlung des Geldes aus dem "Narrow"-Investment im September 1998 an ihn einige Tage verzögert, weil die Bank die Entwicklung des Yen-Dollar-Kurses verfolgte. Erst als dieser wieder in eine für Flöttls Investment günstigere Richtung deutete, sei das neue Geld an ihn geschickt worden. Dies wurde von allen dazu befragten früheren BAWAG-Vorständen bestritten. Man habe sich damals nicht für den Yen-Dollar-Kurs interessiert, erst als Flöttl im Oktober den Totalverlust damit begründete, sagte Elsner.
Finanztransaktionen der BAWAG im Jänner 2001ebenfalls hinterfragt
Die
von der BAWAG eingerichteten Stiftungen in Liechtenstein wurden im Weg von
Überweisungen an Flöttl-Firmen mit Kapital ausgestattet. 88 Mio. Dollar
wurden von der BAWAG derart via Flöttl im Kreis geschickt. "Wieso vertraut
man Flöttl nach seinem Geständnis, dass er vereinbarungswidrig gehandelt
habe, einen 88-Millionen-Dollar-Kredit an?", wollte die Richterin wissen.
Flöttl sei zwar ein "exorbitanter Spieler", aber dass er das Geld für sich
veruntreut hätte und geflüchtet wäre, hätte er ihm nicht zugetraut, meinte
Zwettler. Flöttl selber betonte, die BAWAG habe ihm damals offenbar
vertraut, denn er hätte über die Gelder auf den Konten seiner Firmen
Oakcliff und International Asset Management (IAM) verfügen können. Dem
widersprach wiederum Elsner, der sich an eine Bindung der Gelder zu erinnern
glaubte. Tatsächlich hat Flöttl dieses Geld - entsprechend der Vereinbarung
mit der BAWAG - nach vier Tagen an die Stiftungen in Liechtenstein
weitergeleitet.
Zu einem kurzen Zeugenauftritt kam es am Nachmittag: Der eigens aus der Schweiz angereiste Zeuge Thomas Hackl, früher Chef des Treasury der BAWAG, erklärte zur Überraschung des Gerichts, er sei trotz des gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahrens zur Aussage bereit. Dem Gericht war aber vorher angekündigt worden, Hackl werde sich der Aussage entschlagen. "Ich fühle mich ein bisschen gepflanzt", zeigte die Richterin ihre Verärgerung und vereinbarte prompt einen weiteren Termin für 20. Februar.
Kasino Jericho am Dienstag auf dem "Programm"
Am
Dienstag werden weitere Zeugen zum Komplex des seit Oktober 2000
geschlossenen Casino Jericho gehört. Geladen sind der frühere
Prüfungsleiter der BAWAG von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, Anton
Kampelmühler, der frühere BAWAG-Großkundenbetreuer Heinz Nohel und Kurt
Schweighart von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte. Am Mittwoch
soll dann ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer noch einmal in den Zeugenstand
treten: Der ÖGB-Chef wird zu den Garantien für seine ehemalige Bank befragt.
Investor Martin Schlaff soll am 19. Februar als Zeuge zum Casino Jericho
Auskunft geben.