Zensur-Streit

Zwischen Google und China herrscht Krieg

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Nach dem Google-Rückzug gehen die beiden Kontrahenten aufeinander los.

Nun geht es ans Eingemachte. Die Fronten zwischen der chinesischen Regierung und dem IT-Riesen Google haben sich in den letzten Tagen massiv verhärtet. Mit gegenseitigen Vorwürfen wollen sich die beiden einflussreichen Kontrahenten nun gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben.

Krieg zweier Giganten
Nach dem der Suchmaschinen-Weltmarktführer seine Drohung in die Tat umsetzte und die chinesische Suchseite "google.cn" offline gestellt hat, sprechen Brancheninsider von einem Krieg zweier Giganten. Angefangen hatte alles im Dezember 2009 mit den chinesischen Hacker-Attacken gegen Google und 20 weiteren großen westlichen Unternehmen. Dabei sollen vor allem Konten von chinesischen Usern und ausländischen Journalisten des Google E-Mail-Dienstes Gmail ausspioniert worden sein. Laut den jüngsten Vorwürfen soll die Aktion von chinesischen Elite-Universitäten gemeinsam mit der Regierung initiiert worden sein. Google reagierte auf die Angriffe mit einer Aufhebung der von China vorgegebenen Zensur von Suchergebnissen und der Rückzugsdrohung. Derzeit werden die chinesischen Google-User auf die unzensierte Google-Seite Hongkongs (google.com.hk) umgeleitet. Zugriffe auf die Rechner dort vom Kernland aus werden jedoch mittlerweile von der chinesischen Regierung gefiltert. Viele internationale Google-Seiten wie google.com oder google.co.uk konnten am Mittwoch in China nur zeitweise geöffnet werden oder zeigten keine Suchergebnisse an.

Außerdem reagierte China auf die Aktion mit Drohungen und wirft dem IT-Riesen vor, mit dem US-Geheimdienst unter einer Decke zu stecken. "In der Tat, was Werte angeht, ist Google kein Unschuldslamm. Seine Zusammenarbeit und sowie das Zusammenspiel mit US-Geheim- und Sicherheitsdiensten ist weithin bekannt", hieß es in einem Kommentar der kommunistischen "Volkszeitung". Und auch von der vorherrschenden Zensur will sich China nicht verabschieden. Laut einem Regierungssprecher seien Pornografie, Hacker-Angriffe und Online-Betrug die größten Gefahren im Netz und deshalb bedarf es einer strikten Zensur.

Rückzug: Fehltritt oder Segen?
Google ließ sich diese Vorwürfe nicht gefallen und beendet nun auch die Zusammenarbeit mit weiteren Partnerunternehmen. Letztendlich werde es keine Partnerschaftsabkommen mehr geben, die auf eine zensierte Suche im Internet hinausliefen, erklärte der US-Konzern am Mittwoch. Die laufenden Verträge würden jedoch erfüllt. Die in China weit verbreitete, englischsprachige "Global Times" bewertete Googles Rückzug vom chinesischen Markt als "großen strategischen Fehltritt". Immerhin ist China schon derzeit mit rund 400 Millionen Inernet-Nutzern der weltweit größte Markt. Und in den kommenden Jahren werden die Nutzerzahlen noch einmal enorm zulegen. Da Google den Großteil seiner Einnahmen über Internet-Werbung lukriiert, geht mit dem Rückzug ein enormer Wachstumsmarkt verloren.

Doch in Wahrheit hat Google den Durchbruch in China nie richtig geschafft. Auch wenn sich das Unternehmen den Zugang zu einem der wichtigsten Zukunftsmärkte verbaut: Selbst einen kompletten Rückzug dürfte der Konzern zumindest mittelfristig leicht verschmerzen. Denn bis heute hatte der weltweit führende und erfolgsverwöhnte Anbieter in China nur wenig Erfolg. Gerade einmal ein bis zwei Prozent macht das dortige Geschäft am Gesamtumsatz des Unternehmens aus, sagte Youssef Squali, Analyst bei Jefferies, dem "Wall Street Journal". Mit einem Marktanteil von rund 42 Prozent blieb Google nach Erhebungen der US-Marktforscher GlobalStats auch noch im März deutlich hinter dem führenden chinesischen Anbieter "baidu.com" (56 Prozent) zurück.

Google hatte im Jahr 2000 erstmals eine chinesisch-sprachige Suchmaschine gestartet, sie in den ersten Jahren allerdings noch von Servern in den USA betrieben. Nach der Anwerbung von Kai-Fu Lee, einem ehemaligen Mircrosoft-Mitarbeiter und ausgewiesenen Kenner des chinesischen Marktes, startete Google 2006 erstmals eine Suchmaschine google.cn in China. Mit diesem Vorort-Start hatte Google auch seinen Leitsatz „Tue nichts Böses“ deutlich aufgeweicht und sich der Zensur gebeugt.

In den westlichen Ländern könnte sich der Rückzug für Google jedoch positiv auswirken. Vor allem in Europa kämpft das Unternehmen gegen das gewachsene Image einer "Datenkrake", die unersättlich Daten sammelt, es dabei aber an Transparenz fehlen lässt. Zuletzt hatte auch der neue Dienst StreetView, eine Erweiterung des Kartendienstes Google Maps, die Gemüter von Nutzern europaweit erregt und eine heftige politische Debatte um Datenschutz ausgelöst. Der Konflikt in China könnte Google nun zu einem besseren Image verhelfen.

Gefahren für Google
Unterschätzen sollte Google den Schritt jedoch nicht. Denn große (amerikanische) Unternehmen wie Motorola haben auf den Rückzug bereits reagiert. So werden Motorola-Smartphones nur noch mit der Suchmaschine Bing des Erzrivalen Microsofts angeboten.

Des Weiteren sagt der Harvard-Professor Ben Edelmann im Interview mit "Technology Review", dass China zumindest technisch die Oberhand gegenüber Google behalten wird. Denn die Zensoren können die Chinesischen User von außerhalb Chinas komplett abschotten. Wie am Beispiel mit der Umleitung auf Hongkong bereits klar wurde, ist es egal wo die Server stehen, China kann deren Kommunikation mit dem riesigen Reich einfach blockieren. Google's Aktion sei eher symbolischer Natur. Denn mit dem Rückzug legt der IT-Riese nun die gesamte Verantwortung über die Internet-Zensur in die Hände der chinesischen Regierung und kann sich dadurch frei(er) fühlen.

Rückzug wird zum Politikum zwischen China und den USA
China sieht das natürlich anders und hat die Entscheidung für einen Rückzug aus der Volksrepublik als isolierten Fall bezeichnet. Die Regierung werde den US-Konzern nach Recht und Gesetz behandeln, erklärte ein Sprecher des Außenministeriums. Die Entscheidung werde die Beziehungen zwischen China und den USA nicht belasten, solange sie nicht von anderen zu politischen Zwecken ausgenutzt werde. Das bleibt jedoch mehr als fraglich, denn bereits im Jänner hatte der IT-Riese für sein Vorgehen von US-Präsident Barack Obama sowie Außenministerin Hillary Clinton Unterstützung erhalten. Obama bestehe darauf, dass auch in China das Recht auf Freiheit im Internet gelte, sagte der Präsidialamtssprecher Robert Gibbs. Google hatte damals Obama noch vor der Ankündigung von dem möglichen Rückzug aus der Volksrepublik informiert.

Auswirkungen für chinesische Nutzer und Unternehmen
Keine Routenplaner mehr auf dem Handy, kein kostenloses Musikportal mehr und der mögliche Wegfall eines Mobilfunkanbieters - ein Leben ohne Google dürfte die chinesischen Internetnutzer noch weiter in die Isolation treiben. Und auch chinesische Unternehmen müssten nach dem drohenden Rückzug des Konzerns ironischerweise mit Einbußen rechnen. "Wenn Google geht, verlieren beide Seiten, nicht nur Google", erklärte der Leiter des Pekinger Forschungsinstituts Analysis International, Edward Yu.

Grund dafür ist, dass viele kleine und mittelständische Anbieter auf den Google-Werbeserver AdWords, seinen E-Mail-Dienst Gmail und andere Leistungen zurückgreifen. Diese sind nach der Abschaltung der Suchseite google.cn ebenfalls unterbrochen.

Auch Handykunden betroffen
Millionen Handykunden drohen indes ihren Zugang zum chinesischsprachigen mobilen Google-Map-Service zu verlieren: China Mobile, der mit 527 Millionen Verträgen größte Mobilfunkanbieter der Welt, nutzt Google für seine Suchfunktion und den Routenplaner. Unsicher ist auch die Zukunft des beliebten Gratis-Musikportals Top100.cn, auf das Nutzer nur über Google.cn zugreifen können und das nach Ansicht von Experten maßgeblich zum Kampf gegen Musikpiraterie beiträgt. Auch ob Google sein eigenes Handyunternehmen weiterführen wird, ist fraglich.

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