Laut Innenminister

Pakistans Staatsspitze entging Anschlag nur knapp

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Dramatische Bilder aus Islamabad: Eine Kamera filmte die Explosion vor dem Mariott-Hotel. Ein Lkw mit 1 Tonne Sprengstoff flog in die Luft.

Die pakistanische Staatsspitze ist dem Anschlag auf das Marriott-Hotel in Islamabad am Samstag nur durch eine kurzfristige Änderung entgangen. Ursprünglich sollten Präsident Ali Asif Zardari, die Regierung und Armeevertreter im Marriott zu Abend essen, sagte Innenminister Rehman Malik am Montag. Erst in letzter Minute sei das Essen dann in die Residenz von Regierungschef Yousuf Raza Gilani verlegt worden. Bei dem Anschlag starben über 50 Menschen. Mehr als 260 wurden verletzt. In dem schwer gesicherten Gebäude hatten sich zahlreiche Diplomaten und Ausländer zum Abendessen aufgehalten.

Keine Reservierung im Marriot?
Das Management des Spitzenhotels "Marriott" in Islamabad hat die Aussage von Innenminister Rehman Malik allerdings entkräftet, wonach die pakistanische Staatsspitze dem Anschlag auf das Hotel am Samstag nur durch eine kurzfristige Änderung entgangen sei. Keiner der Speisesaale sei für eine so hochrangige Gesellschaft reserviert gewesen, teilte die Hotelleitung mit. Auch Teilnehmer des Abendessens erklärten, alle Einladungen, die eine Woche zuvor verschickt worden waren, seien für die Residenz des Premiers gewesen.

Suche nach Opfern beendet
Zwei Tage dem verheerenden Bombenanschlag haben Rettungskräfte die Suche nach weiteren Todesopfern beendet. Wie der Sender Geo TV am Montag unter Berufung auf die Behörden berichtete, wurden in den 298 Gästezimmern sowie in den öffentlichen Bereichen des ausgebrannten Hotels keine weiteren Leichen gefunden. Auch werde nicht mehr befürchtet, dass das stark beschädigte Gebäude einstürzen könnte. Noch an diesem Montag werde ein erster offizieller Untersuchungsbericht erwartet, berichtete Geo TV.

Kritik des Hotelbesitzers
Der Besitzer des Mariott-Hotels hat die Sicherheitskräfte kritisiert. Die Polizisten in der Umgebung des Hotels hätten den mit Sprengstoff bepackten Müllwagen nie passieren lassen dürfen, sagte der Hotelier Zadruddin Hashwani am Sonntag in Islamabad. Der pakistanische Ministerpräsident Yousuf Raza Gilani sagte, die Täter hätten das Mariott-Hotel für den Anschlag ausgesucht, weil die Sicherheitsvorkehrungen vor dem Parlament oder dem Regierungssitz zu strikt gewesen seien. Dort waren nach der Antrittsrede von Staatspräsident Asif Ali Zardari zum Zeitpunkt des Anschlags zahlreiche Regierungsmitglieder zum Abendessen versammelt.

Österreicher nicht unter den Opfern
Bei der Explosion der Lkw-Bombe und einem anschließenden Großbrand kamen am Samstag nach offiziellen Angaben 53 Menschen ums Leben, die Medien gehen von einer höheren Opferzahl aus. Getötet wurden auch der tschechische Botschafter in Pakistan, Ivo Zdarek, zwei US-Bürger und ein Vietnamese. Weiter vermisst wird ein dänischer Diplomat. Unter den rund 270 Verletzten sind mindestens 21 Ausländer. Das Auswärtige Amt in Berlin sprach von sieben Deutschen, die verletzt seien. Österreicher kamen nach den derzeitigen Erkenntnissen des Außenministeriums in Wien nicht zu Schaden.

Die gewaltige Detonation riss ein etwa zehn Meter tiefes Loch in die Straße vor dem Hauptgebäude des Luxushotels. Aus den Fenstern schlugen Flammen, das Gebäude drohte einzustürzen. Es stand stundenlang in Flammen. Auch am Sonntag war das Feuer zunächst noch nicht endgültig gelöscht.

Internationaler Aufschrei
Der folgenschwerste Terroranschlag in der Geschichte der pakistanischen Hauptstadt wurde international verurteilt. Die Atommacht Pakistan gilt als enger Partner des Westens im Kampf gegen den Terrorismus. Präsident Zardari verkündete, das "Krebsgeschwür" des Terrorismus "ausrotten" zu wollen. Seine Frau Benazir Bhutto war im Dezember vergangenen Jahres nach einer Wahlkampfkundgebung ermordet worden. Justizminister Farooq Naek verglich den Anschlag auf das Hotel mit dem 11. September in den USA.

Zu dem Anschlag bekannte sich zunächst niemand. Die pakistanische Regierung dürfte aber die radikalislamischen Taliban verantwortlich machen. Die Angreifer stammten aus den Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan, hieß es am Sonntag auf einer Pressekonferenz aus dem Innenministerium in Islamabad. Alle Spuren führten dorthin. Die Region ist eine Hochburg der Taliban. Zuvor hatte Malik schon gesagt, dass es Geheimdienstinformationen gegeben habe, wonach Extremisten etwas zur Antrittsrede Zardaris vor dem Parlament planten, sagte Malik. Die Sicherheitsvorkehrungen seien deshalb verschärft worden.

Eine Tonne Sprengstoff
Nach pakistanischen Angaben waren unter den rund 250 Verletzten in den Krankenhäusern auch Briten, Bürger aus den USA sowie mehreren Nahost-Staaten. Augenzeugen sagten, ein Lastwagen habe gegen 20.00 Uhr (Ortszeit; 16.00 Uhr MESZ) den Metallzaun um das Hotelgelände gerammt.Zu der Zeit befanden sich Hunderte von Menschen in dem Gebäude, viele Familien saßen im Restaurant beim abendlichen Fastenbrechen während des Ramadans. Gebäude in mehreren hundert Meter Entfernung wurden durch die Druckwelle beschädigt, zahlreiche Fensterscheiben zersprangen. Polizeisprecher Asghar Raza Gardaizi sagte, vermutlich sei rund eine Tonne Sprengstoff zur Explosion gebracht worden.

US-Präsident George W. Bush verurteilte den Anschlag und sagte Islamabad weitere Unterstützung zu. Die Bluttat sei Teil eines anhaltenden Angriffs auf das pakistanische Volk und zeige, welchen Gefahren Pakistan, die USA und alle, die gegen den gewalttätigen Extremismus kämpften, weiter ausgesetzt seien, sagte Bush. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy, dessen Land gegenwärtig den Ratsvorsitz in der Europäischen Union innehat, sprach von einer "schändlichen Tat" und versicherte den pakistanischen Behörden die Solidarität der EU. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer sprach von einem "grotesken Angriff" ohne jede Rechtfertigung.

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel sagte, der Kampf gegen den transnationalen Terrorismus bleibe "eine vorrangige Aufgabe der davon betroffenen Länder wie Pakistan und der internationalen Gemeinschaft" . Sie sicherte Pakistan Unterstützung bei seinen Bemühungen um Stabilität und Prosperität zu. In Prag erklärte eine Außenministeriumssprecherin, der tschechische Botschafter habe vorübergehend im "Marriott" gewohnt, da das Botschaftsgebäude derzeit umgebaut werde, um die Sicherheit zu verbessern. Er hatte erst im Sommer seinen Posten angetreten.

Das Marriott-Hotel liegt in einer Hochsicherheitszone unweit der Präsidentenresidenz und diente im Afghanistan-Krieg 2001 als Sitz der internationalen Medien. Es war in der Vergangenheit mehrfach Ziel von Anschlägen, zuletzt im Jänner 2007. Damals wurde ein Wachmann getötet, der einen Selbstmordattentäter vor dem Hotel gestoppt hatte.

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