Wifo-Experte Benjamin Bittschi rechnet aufgrund der seit Dienstagfrüh laufenden Streiks in der Metallindustrie vorerst nicht mit gewichtigen Einbußen für die Arbeitgeber.
"Gerade durch die Rezession und eine gewisse Nachfrageschwäche ist es tendenziell so, dass es für die Arbeitgeber ein günstiger Moment für Streiks ist", sagte der Ökonom im Gespräch mit der APA. In der Produktion seien die Ausfälle dadurch geringer als dies in einer Phase der Hochkonjunktur der Fall wäre.
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Anders gestalte sich die Lage allerdings, sollten die Streiks ausgeweitet werden. "Das wird sicher spürbar sein", so Bittschi. Aus Sicht des Ökonomen bleibt es daher abzuwarten, welche Dimensionen die Arbeitsniederlegungen noch annehmen werden. Der Arbeitnehmerverhandler der Gewerkschaft PRO-GE, Reinhold Binder, hatte zuvor eine etappenweise Ausweitung der Streiks in Aussicht gestellt, sollten sich die Arbeitgeber nicht weiter auf die Arbeitnehmer zubewegen.
Arbeitgeber bieten 6% plus Einmahlzahlung
Die Arbeitgeber hatten im Rahmen der gestern gescheiterten Verhandlungsrunde ein neues Angebot vorgelegt. Sie schlugen sozial gestaffelte Lohn- und Gehaltserhöhungen von durchschnittlich 6 Prozent (2,7 Prozent plus 130 Euro monatlicher Fixbetrag als nachhaltige Lohn-bzw. Gehaltserhöhung) sowie eine steuerbefreite Einmalzahlung von netto 1.200 Euro vor. Für Bittschi ist das "zwar eine Bewegung von den Arbeitgebern", das Angebot liege aber "immer noch deutlich unter der rollierenden Inflation". "Und von dem her glaube ich, ist es für die Gewerkschaften schwer zu akzeptieren."
Für das Argument der Arbeitgeber, dass die wirtschaftliche Lage derzeit schwierig und die Aussichten nicht sonderlich rosig seien, äußerte Bittschi Verständnis. "Auf der anderen Seite waren gerade die letzten zwei Jahre (2021/22, Anm.) sehr gut." Die Unternehmen hätten dadurch Möglichkeiten gehabt, sich finanzielle Polster aufzubauen. In der mittelfristigen Perspektive sei auch die Stundenproduktivität in der Industrie "mit Sicherheit deutlich positiv" gewesen.
Teuerungsprämie
Den Vorschlag von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), die Teuerungsprämie zu verlängern und dadurch Einmalzahlungen attraktiver zu gestalten, begrüßte der Ökonom. Gerade bei den höheren Einkommen könne man diese gezielt nutzen, da hier die Inflation nicht so stark zuschlage wie bei unteren Einkommen. "Ich glaube, dass das schon in einem Gesamtpaket Teil einer Lösung sein kann."
Generell werde es für einen Kompromiss einen "Mix an Maßnahmen" brauchen, ergänzte er im "Ö1-Mittagsjournal". Für Bittschi wäre etwa eine leichte Arbeitszeitverkürzung denkbar, um die im aktuellen Angebot bestehende Kluft zur rollierenden Inflation (9,6 Prozent von September 2022 bis September 2023) zu kompensieren. Die rollierende Inflation dient als Ausgangsbasis für die Verhandlungen.