Die Hoffnungen der Automobilindustrie auf ein baldiges Ende der Talfahrt könnten schon bald zerplatzen. Immer mehr Staaten greifen der Schlüsselindustrie zwar mit Abwrackprämien unter die Arme und verschaffen ihr damit Luft fürs Überleben. Deshalb haben sich auch düstere Prognosen über ein Massensterben von Lieferanten bisher nicht bewahrheitet. Doch die Autohersteller mussten ihre Produktion seit Beginn der schärfsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg drastisch herunterfahren und viele Beschäftigte in Kurzarbeit schicken.
"Der ein oder andere Hersteller hat vielleicht etwas überreagiert und seine Läger zu weit reduziert", schätzt der Automobilexperte Gregor Matthies von der Beratungsfirma Bain & Co. "Von da kommt jetzt wieder Nachfrage, aber das ist noch kein Anzeichen für eine fundamentale Wende der Autokonjunktur." Spätestens im nächsten Jahr, wenn die staatliche Unterstützung in Deutschland ausgelaufen ist und viele Unternehmen mit Kurzarbeit allein nicht mehr über die Runden kommen, könnte das dicke Ende kommen - verbunden mit gewaltigen Umwälzungen in der Branche und Zehntausenden Arbeitslosen.
"Ende dieses Jahres, Anfang nächsten Jahres wird die Zahl der Arbeitslosen in der Automobilindustrie signifikant steigen", erwartet Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive in Bergisch-Gladbach. Er rechnet mit einem Personalabbau in Deutschland in der Größenordnung zwischen 75.000 und 113.000 Stellen, zehn bis 15 Prozent der Arbeitsplätze in der Branche. "Selbst bei einem leichten Anziehen der Nachfrage wird die Beschäftigung erst mit Verzögerung wieder zunehmen", prognostiziert der Wissenschafter.
Zurzeit sind viele Mitarbeiter noch durch Betriebsvereinbarungen vor Entlassung geschützt. Inzwischen bröckelt die Zuversicht der Gewerkschaften aber, dass der Damm hält. Spätestens Ende 2010, wenn viele dieser Verträge auslaufen, könnte sich der Arbeitsplatzabbau beschleunigen.
Strukturkrise und Überlebenskampf
"Auch wenn das Gröbste vorbei ist, es bleibt eine Strukturkrise und ein Überlebenskampf für die Unternehmen", sagt Christoph Stürmer vom Marktforschungsinstituts Global Insight. Nachdem in den vergangenen Wochen schon zahlreiche namhafte Unternehmen wie der Cabriodachbauer Edscha und der Hersteller von Schallisolationen Stankiewicz in Bedrängnis geraten sind, sind seiner Einschätzung nach weitere Insolvenzen zu erwarten. "Diejenigen, die schon vor der Krise nicht gut dastanden und keine ausreichenden Rücklagen hatten, werden sicherlich rausfallen."
Als Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise werden sich die großen Zulieferer breiter aufstellen und Gesamtsysteme anbieten, durch die sie für die Hersteller unentbehrlicher werden. Bisher hat die zersplitterte Zuliefererbranche in den jährlichen Preisrunden dem Druck ihrer Abnehmer kaum etwas entgegenzusetzen. Durch größere Unternehmenszusammenschlüsse könnte sich das ändern. "Deswegen sind Zulieferer wie Magna, Conti und Bosch wohl am Ende der Krise noch stärker als sie es am Anfang schon waren", meint Stürmer.
Auch bei den Herstellern verändert sich einiges. Das wird schon daran deutlich, dass die General-Motors-Tochter (GM) Opel unter das Dach von Magna schlüpfen soll. Damit würde sich der österreichisch-kanadische Zulieferer in einen Automobilbauer verwandeln. Chrysler wird von Fiat übernommen, die Marke bleibt aber erhalten. "Porsche wird in irgendeiner Form geschluckt, absorbiert, Volkswagen beigeordnet.
Die Zahl der Automobilhersteller wird durch die Krise aber nicht kleiner, sondern tendenziell eher größer, weil Technologiepioniere hinzukommen", so Stürmer. Als Aufsteiger am Autohimmel sieht er die schwedische Sportwagenschmiede Koenigsegg, die mit der GM-Marke Saab einen etablierten Autobauer übernimmt, den indischen Hersteller Tata, der den Kleinstwagenmarkt auf dem Subkontinent aufrollen will, und den kleinen Elektroauto-Pionier Tesla aus den USA, den sich Daimler als Technologiepartner ausgesucht hat.