ÖBB ändert nach Krankendaten-Affäre Formulare

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Die Affäre um illegal gesammelte Krankendaten wird in den ÖBB zu einer Änderung der EDV und neuen Dienstanweisungen führen. Weitergehende Konsequenzen zeichnen sich vorerst nicht ab. ÖBB-Vorstandsvorsitzender Peter Klugar gestand in Wien zwar Fehler "bei der Umsetzung von Personalmaßnahmen" ein. Gründe, um dem Holding-Aufsichtsrat nächste Woche seine Rücktritt anzubieten, sieht er aber nicht.

Infrastrukturministerin Doris Bures (S) forderte indes ÖBB-Aufsichtsratsvorsitzenden Horst Pöchhacker auf, zur Aufklärung der "rechtswidrigen Erfassung von Krankendaten in den ÖBB" die Staatsanwaltschaft einzuschalten, personelle Konsequenzen forderte sie nicht.

3.000 Fälle

Nach ersten Erkenntnissen der Untersuchungskommission waren in der bisher einzigen geprüften Gesellschaft, der ÖBB Infrastruktur Betrieb AG unter den rund 11.000 Mitarbeitern rund 1.000 Fälle entdeckt worden, in denen in Beförderungsbögen auch Angaben zu Krankenständen und Diagnosen enthalten waren. Im gesamten Konzern rechnete der neue Personalchef der ÖBB-Holding, Emmerich Bachmayer, am Freitagnachmittag (18. September) mit etwa 3.000 Fällen.

Die rechtswidrigen Diagnosedaten wurden laut Bachmayer - zumindest seit dem Vorjahr - nicht in den seit 2006 bzw. 2007 geführten elektronischen Aufzeichnungen von "Gesundheitsgesprächen" erfasst, sondern in Beurteilungsblättern für die Beförderung von Mitarbeitern. Wie berichtet sollen Mitarbeiter unter Druck gesetzt worden sein und zum Teil schon freiwillig Befunde mitgebracht haben.

Diese Praxis soll nun abgestellt werden, versprach Klugar. In den elektronischen Formularen soll eine Diagnoseerfassung verunmöglicht werden, hieß es. Seit 2008 war im entsprechenden Feld nur ein "Nichts eintragen" aufgepoppt. An die mittlere Managementebene ist laut Bachmayer bereits eine Dienstanweisung ergangen, Eintragungen künftig zu unterlassen. Für die bisherigen Vorgänge sei nichts zu fürchten, außer wenn es "strafrechtlich relevante" Tatbestände gab. Bei den Mitarbeitern will sich die Konzernführung entschuldigen und sie auch zur Einsicht in ihre Personalakten einladen. Die illegalen Diagnosedaten sollen unkenntlich gemacht werden.

"Von den Krankenstandbekämpfungsmethoden waren keine 10 Prozent der Mitarbeiter betroffen", betonte Bachmayer. Klugar sprach von "einigen schwarzen Schafen", die das System auf kosten der Anderen und des Konzerns ausgenützt hätten. Ab 15 Krankenstandtagen waren bei den ÖBB bisher Krankenstandrückkehrgespräche verpflichtend. Die Gewerkschaft der Privatangestellten hat am Freitag diese Praxis kritisiert, weil dies eine Atmosphäre des Misstrauens erzeuge. Die Methode soll laut GPA-djp allerdings nicht auf die ÖBB beschränkt sein, wie die steigenden Anfragen in der jüngeren Vergangenheit zeigt. Namen von weiteren Unternehmen wurden bisher aber nicht genannt.

Klugar: Keine Bespitzelung

Seit wann er über die dubiosen Praktiken bei der Aufzeichnung von Krankendaten Bescheid wusste, wollte Klugar nicht genau beantworten. Aus seiner Zeit als Vorstand der ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG habe er gewusst, dass es ein umfassendes betriebliches Förderwesen für Gesundheit gibt. Er habe damals aber sicher nie jemanden bespitzelt oder eine entsprechende Weisung erteilt. Seit seiner Bestellung zum Vorstandsvorsitzenden der ÖBB-Holding per Juni 2008 sei das Thema aber nicht an ihn herangetragen worden, daher habe er auch keine Kenntnis davon gehabt. Es habe aber "Maßnahmen" in der Dienstleistungs-GmbH (sie ist mittlerweile in Auflösung, Anm.) gegeben, die damals für Personalangelegenheiten zuständig war, so Klugar. Über die "Brisanz der Situation" habe er erst vor einigen Wochen erfahren und aus der Berichterstattung, sagte der ÖBB-Chef.

Ein intimer Kenner der ÖBB sieht es im Gespräch mit der APA klarer: "Alle haben alles gewusst", und "alle haben gewusst, dass es ein Graubereich ist". Das System zur Reduktion der zum Teil enormen Krankenstände sei gemeinsam erarbeitet, dann aber zum "Selbstläufer" geworden und dem Vorstand entglitten. Einige Manager der zweiten und dritten Ebenen hätten die Fehlzeitenthematik als "Machtinstrument" gesehen" und genützt. Über die Fortschritte bei der Krankenstandreduktion sei der Betriebsrat monatlich informiert worden. Der sei ebenso daran interessiert gewesen, "die faulen Eier zu finden", daher sei es notwendig gewesen, die Gründe für längere Abwesenheiten zu kennen. Der Aufsichtsrat habe "je nach Interesse" Bescheid gewusst, dass dieses Programm laufe. Auch im Ministerium sei der "Verbindungsmann" für die ÖBB informiert gewesen.

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