Stuttgart "schuldig"

Daimler erzielt Vergleich mit US-Justiz

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Daimler dürfte das Kapitel Schmiergeld bald schließen können. Am Donnerstag sollte ein Richter in Washington den ausgehandelten Vergleich mit der US-Justiz absegnen. Für den Autobauer endet damit ein jahrelanges Geschacher mit den US-Behörden. Um endlich Ruhe zu haben, willigten die Stuttgarter ein, 185 Mio. Dollar (137,4 Mio. Euro) zu zahlen und sich schuldig zu bekennen.

Nach Siemens kauft sich damit ein weiteres deutsches Unternehmen wegen Korruption frei. Die Schmiergeld-Affäre der Münchener hatte jedoch andere Dimensionen: Damals ging es um 1,3 Mrd. Euro, die in dunklen Kanälen versickert waren. Mit dem Geld sicherte sich Siemens weltweit Aufträge. Am Ende büßte der Konzern dafür mit einer Strafzahlung an die US-Behörden von alleine rund 600 Mio. Euro. Strafen in Deutschland, eine Steuernachzahlung und Anwaltshonorare trieben die Gesamtkosten auf etwa 2,5 Mrd. Euro hoch.

Laut Anklageschrift flossen bei Daimler 56 Mio. Dollar. Gemessen daran liegt die Strafsumme hoch. Experten sehen den Grund dafür in einer bockigen Haltung der Stuttgarter. Diese hätten zuerst nicht mit den US-Behörden kooperieren wollen. Dafür spricht, dass Siemens sein Verfahren in rund zwei Jahren über die Bühne brachte. Bei Daimler laufen die Untersuchungen nach dem Tipp eines ehemaligen Mitarbeiters seit 2004.

Schmiergelder in mindestens 22 Ländern

Die US-Behörden werfen Daimler vor, 1998-2008 Regierungsbeamte in mindestens 22 Ländern bestochen zu haben, um an lukrative Aufträge für Lastwagen, Kleintransporter, Busse und Pkw heranzukommen. Die Hauptschuldigen sehen die US-Ermittler in den Reihen der Vertriebsmannschaft. Die internen Kontrollinstanzen hätten das Treiben aber gedeckt, hieß es.

Daimler-Chef Dieter Zetsche hat inzwischen aufgeräumt: Etwa 45 Mitarbeiter mussten gehen. Seit zwei Jahren gibt es auch einen speziellen Korruptionsbeauftragen, der nah am Vorstand sitzt. Die Konzernrevision, die nach den Erkenntnissen der US-Ermittler schon früh Bedenken geäußert hatte, war im Unternehmen ungehört geblieben. Was der Vorstand wusste, lässt die Anklage offen.

Neben dem Justizministerium hatte sich auch die gefürchtete US-Börsenaufsicht SEC in den Fall Daimler eingeschaltet. Der Konzern ist an der New Yorker Börse notiert. Zudem waren die Stuttgarter zu den Zeiten, auf die sich die Korruptionsvorwürfe beziehen, mit dem US-Wettbewerber Chrysler liiert.

Nach Ansicht der SEC gehörte Korruption zum Alltag bei Daimler. "Die Praxis bei Daimler, sich Geschäfte durch das Zahlen von Bestechungsgeldern an ausländische Regierungsbeamte zu sichern, war in etlichen wichtigen Sparten und Tochtergesellschaften verbreitet und durch das Topmanagement gedeckt", lautet das Fazit in der Anklageschrift.

Daimler selbst schweigt zu den Vorwürfen. Seit 2005 finden sich lediglich immer mal wieder Hinweise auf die laufenden Schmiergeld-Ermittlungen in den Geschäftsberichten. Daimler soll durch krumme Geschäfte mindestens 6300 Nutzfahrzeuge sowie 500 Autos verkauft haben. Die SEC beziffert den Umsatz auf 1,9 Mrd. Dollar und die illegalen Gewinne auf mindestens 91,4 Mio. Dollar.

Stimmt der Richter dem Vergleich zu, steht Daimler noch 3 Jahre lang unter Beobachtung. Der ehemalige FBI-Chef Louis Freeh wird kontrollieren, ob der Autohersteller ab jetzt saubere Geschäfte macht. Die deutsche Justiz zeigt sich indes wenig interessiert. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft geht noch zwei Vorwürfen nach. In den US-Gerichtsunterlagen ist von mindestens 205 Zahlungen die Rede, viele Fälle sind detailliert aufgeführt.

INS ROLLEN GEBRACHT hatte die Ermittlungen ein ehemaliger US-Mitarbeiter von DaimlerChrysler, der 2004 vor den Behörden in den USA ausgepackt hatte. Weil der deutsche Daimler-Konzern an der New Yorker Börse notiert ist, unterliegt er dem strengen US-Aktienrecht, das Bestechung im Ausland unter Strafe stellt. Einer noch schärferen Strafe entging Daimler, weil es nach Einschätzung der US-Ermittler jahrelang "exzellent" bei der Aufklärung mitgewirkt hatte und sich zu seiner Schmiergeldpraxis bekannte. Interne Ermittlungen hätten zur Entlassung von insgesamt 45 Managern geführt, heißt es in den Justizakten.

"Das Unternehmen hat bei sich aufgeräumt", sagt Staatsanwalt Darden. "Es gab einen wirklichen Sinneswandel. Das verdient Anerkennung." Auch Vorstandschef Dieter Zetsche zeigt sich zufrieden. "Wir haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt", erklärte er. Drei Jahre lang muss sich der Konzern nun von einem unabhängigen US-Kontrolleur auf die Finger schauen lassen. Mit der Strafe blieb die US-Justiz deutlich unter dem möglichen Maß. Der Münchner Siemens-Konzern etwa hatte 2008 für ähnliche Vergehen 800 Mio. Dollar an die USA zahlen musste.

Branchenexperten sehen die Verfahren gegen die deutschen Konzerne als Warnsignal an Unternehmen weltweit. "Die US-Ermittler führen derzeit eine internationale Kampagne, um die Antikorruptionsgesetze der USA anzuwenden, wann immer und wo immer es möglich ist", urteilt der Washingtoner Wirtschaftsjurist Jacob Frenkel. "Die Botschaft der Ermittler lautet: Sobald es irgendeine Verbindung zu den USA gibt, wird geklagt."

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