E-Control-Experte: Notierungen sinken ab Herbst jedes Quartal: "Haushalte trifft es wohl trotzdem noch einmal stark". Jedoch fehlen auch Preisanreize für verstärktes Einspeichern im Sommer.
Trotz des Angriffs Russlands auf die Ukraine gibt es noch keine Anzeichen dafür, dass Erdgas im kommenden Winter teurer sein könnte als derzeit, das könnte sich aber ändern. Bis April sind die Preise der Gas-Forwards sehr hoch, doch ab dem dritten Quartal gibt es jedes Vierteljahr Rückgänge. Zunächst gehe der Markt offenbar von möglichen Lieferunterbrechungen aus. Doch den Haushalten drohe wohl kein Preisschub bis Ende des Jahres, so E-Control-Experte Johannes Mayer zur APA.
Im neuen Jahr sei aber wohl mit einer kräftigen Preissteigerung zu rechnen, so Mayer. In Ostösterreich etwa hätten die großen Lieferanten Preiserhöhungen zuletzt an die Haushaltskunden weitergegeben, konkret die EnergieAllianz-Partner Wien Energie, EVN und Energie Burgenland per Anfang Februar. Die Wien Energie etwa habe künftig jährliche Preisanpassungen eingebaut - die werde es im kommenden Winter aber nur geben, wenn der Großhandelsindex im Dezember 2022 höher sind als im Dezember 2021, wovon der Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung des Energieregulators ausgeht, obwohl der Index schon Ende 2021 sehr hoch war. "Obwohl da schon viel eingepreist ist, glaube ich, dass es die Haushalte noch einmal im neuen Jahr 2023 stark treffen könnte."
Am Freitagnachmittag kletterte der Erdgaspreis in Europa - am besonders liquiden Handelspunkt TTF in den Niederlanden - erstmals über die 200-Euro-Marke pro Megawattstunde (MWh). Kurz stieg er bis auf über 213 Euro je MWh, fiel aber dann wieder auf knapp unter 200 Euro zurück. Während die aktuelle Notierung bei 194 Euro pro MWh lag, waren es für April 190 Euro, für Mayer "sehr sehr teuer".
Offenbar gehe der Markt schon davon aus, dass es wegen des Ukraine-Russland-Konflikts eventuell doch zu Gaslieferunterbrechungen kommen könnte bzw. kaufen EU-Staaten groß Erdgas ein. Für das zweite Quartal lag der Preis Freitagnachmittag bei 190 Euro, für das dritte bei 180 Euro und für das vierte bei 154 Euro - für den Experten schon ein deutliches Abwärtssignal: "Es wird billiger." Lieferungen im ersten 2023 wurden sogar für "nur" 120 Euro/MWh gehandelt, diese Momentaufnahme könne sich aber jederzeit ändern.
Wegen dieser Preisabwärtsbewegung, wie sie sich jetzt darstellt, könnte es wirtschaftlich für die Lieferanten uninteressant sein, heuer im Sommer mehr Einspeicherungen in den heimischen Gasspeichern zu erreichen als voriges Jahr. 2021 waren die Speicher zum Ende der typischen Einspeisesaison nur zu 54 Prozent gefüllt, weil die Sommerpreise kaum unter den Winterpreisen lagen. Nun will die Regierung mit einem Gasbevorratungsgesetz 80 Prozent für Anfang Oktober erreichen. Solche Werte, sogar noch höhere, gab es zwar in vielen Jahren, freilich bei einer anderen Preisstruktur. Auch 2022 werde es nämlich wenig Anreiz zum Einspeichern geben: "Warum soll ich für 170 oder 180 Euro pro Megawattstunde Gas kaufen, wenn die Preise im nächsten Winter, wenn ich es dann verkaufen möchte, um 30 Euro niedriger sind?"