In einem Austausch mit Experten will sich die EU-Kommission mit den Folgen der von Google betriebenen Digitalisierung urheberrechtlich geschützter Bücher auf Europa befassen. Hintergrund der zweitägigen Anhörung, die heute in Brüssel beginnt, ist ein Vergleich zwischen dem Internetkonzern Google und US-Autorenverbänden in den USA, der auch in Europa für Aufsehen und Kritik sorgte.
Die Einigung, das "Google Book Settlement", sieht vor, dass Google gegen eine Zahlung von 125 Mio. Dollar (87,6 Mio. Euro) auch Copyright-geschützte Bücher für die Online-Suche ins Netz stellen darf. Die im vergangenen Oktober geschlossene Vereinbarung muss am 7.10. noch von einem New Yorker Gericht genehmigt werden. Zudem hat das US- Justizministerium eine Untersuchung der Wettbewerbsfolgen eröffnet.
Im deutschsprachigen Raum stieß die Einigung auf massive Kritik. Die deutsche Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) äußerte in einem Brief an das Gericht die Bedenken der deutschen Bundesregierung. In einem schriftlichen Appell protestierten mehr als tausend Unterzeichner, darunter prominente Autoren wie Hans Magnus Enzensberger und Daniel Kehlmann, gegen das "Settlement".
Zwar soll der Vergleich nur in den USA gelten, jedoch sind unter den dort eingescannten Büchern auch Millionen Werke nicht-amerikanischer Autoren. Der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels (HVB) hat eine New Yorker Anwaltskanzlei für die Vertretung heimischer Interessen beauftragt. "Google hat sich wissentlich über geltendes Urheberrecht hinweggesetzt", kritisierte HVB-Präsident Gerald Schantin, und verwies auf den "enormen Schaden", den Autoren, Verleger und die Buchbranche durch den geplanten Vergleich erleiden würden.
Neue Regeln für Digitalisierung
EU-Medienkommissarin Viviane Reding forderte Anfang Juli, neue EU-Regeln zu schaffen, um die Digitalisierung von Büchern voranzutreiben. Nach US-Vorbild favorisiert die Kommissarin eine Europa-weite "Book Rights Registry". Dieses Register sammelt Informationen über die Rechteinhaber und verteilt die Einnahmen für digitalisierte Bücher. Dabei geht es um Werke, die nicht mehr gedruckt und somit im Handel nicht mehr erhältlich, oft aber noch urheberrechtlich geschützt sind.
"Ich verstehe die Ängste von vielen Verlegern und Bibliotheken vor zu viel Marktmacht für Google", sagte die Kommissarin. Gleichzeitig habe sie aber auch Verständnis für zahlreiche Internet-Unternehmen, die gerne interessante Geschäftsmodelle anbieten würden, dies aber wegen des fragmentierten Regulierungssystem in Europa nicht könnten.
In den vergangenen Jahren hat Google rund 10 Mio. Bücher digitalisiert, darunter aber auch viele, die nicht urheberrechtlich geschützt sind. Dabei arbeitet der Internet-Konzern mit weltweit rund 30 Bibliotheken zusammen. In Europa gehören unter anderem die britische Oxford Library sowie die Bayerische Staatsbibliothek in München dazu. Derzeit steht Google mit französischen und italienischen Bibliotheken in Verhandlungen.
Hachette gegen Google-Vergleich
Der zweitgrößte Buchverlag der Welt, Hachette Livre, lehnt unterdessen die Vereinbarung von Google mit den US-Verlegern ab und fordert den Internetkonzern zum Verhandeln auf. Die Vereinbarung widerspreche "der Berner Konvention zum Schutz der Autorenrechte und den Verlagsregeln in den europäischen Ländern", erklärte Konzernchef Arnaud Nourry der Zeitung "Le Figaro".
"Man will uns glauben machen, dass nur die amerikanischen Internauten (Internetnutzer) Zugang zu den Diensten hätten, die mit diesem Abkommen genehmigt werden", sagte Nourry. "Im Internet kann es aber keine klar definierten Grenzen geben." Die Regelung sei auf europäisches Recht nicht übertragbar. Nourry rief alle französischen Verlage auf, sich dem Hachette-Projekt Numilog zur Digitalisierung von Büchern anzuschließen. Numilog hat bisher 40.000 Werke eingescannt.