Die Europäische Zentralbank (EZB) wird auf ihrer heutigen Sitzung ihren Leitzins nach einhelliger Einschätzung von Volkswirten auf dem derzeitigen Niveau beibehalten. Alle befragten Volkswirte erwarten, dass die EZB den Leitzins auf dem Rekordtiefstand von 1,0 Prozent belassen wird.
Im Blick der Märkte dürften daher erneut die außergewöhnlichen geldpolitischen Maßnahmen stehen. Vor allem die Erfahrungen mit dem Aufkauf von Covered Bonds (Pfandbriefen) und die Entwicklung der Kreditvergabe dürften im Fokus der Pressekonferenz von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet stehen.
"Das aktuelle Zinsniveau wird die EZB voraussichtlich weiter als 'angemessen' bezeichnen", sagte Karsten Junius, EZB-Experte bei der DekaBank. Es seien auch hinsichtlich des Ausblicks keine großen Neuigkeiten zu erwarten. "Die EZB dürfte zwar auf die zuletzt positiveren Konjunkturdaten verweisen, für eine Neubewertung des Ausblicks ist es jedoch zu früh."
Kein Tiefpunkt der Zinsentwicklung
Die Notenbank dürfte den aktuellen Leitzins andererseits noch nicht als absoluten Tiefpunkt der Zinsentwicklung bezeichnen, sagte Junius. Eine solche Ankündigung sei erst sinnvoll, wenn eine Zinserhöhung kurz bevor steht. EZB-Vertreter hatten zudem eine eher verhaltene Konjunkturerholung prognostiziert. Laut Trichet gibt es derzeit in der Eurozone weder Inflations- noch Deflationsgefahren. Im Juli waren die Verbraucherpreise in der Eurozone erneut auch im Jahresvergleich gesunken. Zum Jahresende erwartet die EZB jedoch wieder steigende Verbraucherpreise. Der Rückgang sei vor allem auf gefallene Energiepreise zurückzuführen.
Nach Einschätzung der Commerzbank dürfte die Entwicklung der Kreditvergabe einer der Hauptgründe sein, warum die Notenbank vorerst eine abwartende Haltung einnehmen werde. Die Kreditvergabe an den privaten Sektor stehe größtenteils im Einklang mit der Rezession in den letzten Quartalen, schreibt EZB-Experte Michael Schubert in einem Ausblick. Eine Verschärfung der Kreditrichtlinien sei bei einer solchen konjunkturellen Situation nicht unüblich. Auch laut Junius kann sich Trichet darin bestätigt sehen, dass es keine Kreditklemme gibt. Die zuletzt veröffentlichte Umfrage unter Banken zur Kreditvergabe (Bank Lending Survey) habe diese Einschätzung bestätigt.
Für 2010 wird Stagnation erwartet
Angesichtes der unsicheren Konjunkturaussichten wird die EZB nach Einschätzung der UniCredit ihren Leitzins auch im Jahr 2010 nicht anheben. Das Schlimmste der Rezession liege zwar bereits hinter uns. Für 2010 sei allerdings kaum mehr als eine Stagnation zu erwarten.
Das Interesse der Marktteilnehmer bei der EZB-Pressekonferenz am Donnerstag dürfte laut HSBC Trinkaus auf die Umsetzung des im Juli begonnenen Covered Bond-Kaufprogramms gerichtet sein. Bisher habe die Notenbank knapp sieben Prozent des angekündigten Volumens von 60 Mrd. Euro umgesetzt und liege damit im "Zeitplan" des auf ein Jahr angesetzten Vorhabens. Auch nach Einschätzung von Junius kann die EZB zufrieden mit dem Programm sein: "Alles verläuft nach Plan".