Banken greifen zähneknirschend nach Beteiligungen

Teilen

Die Finanzkrise wirft manch eherne Regel über den Haufen. Denn Banken werden immer öfter von Kreditgebern zu Unternehmern. Vor der Krise hätten sie sich nur im Notfall darauf eingelassen, ihre gut besicherten Forderungen gegen eine Beteiligung am Schuldner-Unternehmen einzutauschen. Von Alexander Hübner

"Eigentlich wollen die Banken nicht ins Eigenkapital einsteigen - aber das hat Grenzen", sagt Heinrich Kerstien, der bei der Investmentbank Rothschild in Deutschland das Geschäft mit der Restrukturierung von Unternehmen leitet. Eben solche "Debt-Equity-Swaps" retteten nun zwei deutsche Autozulieferer, eine weitere derartige Umschuldungsaktion für den französischen Eigentümer des Dachpfannen-Herstellers Braas stand am Donnerstag unmittelbar bevor.

Den Banken geht es nicht um operativen Einfluss, sie treibt schlicht die Berechnung, dass der Verkauf der Firmenbeteiligung nach einer erfolgreichen Sanierung mehr einbringen könnte als die notleidenden Kredite. Sich still zu verhalten oder die Kreditauflagen zu lockern, um Abschreibungen zu vermeiden und auf bessere Zeiten zu hoffen, wird immer schwerer. "Die Hoffnung ist: Noch schlechter kann es nicht werden", erklärt Kerstien den Sinneswandel der Banken. Denn die Kredite sind vielfach höher als der Unternehmenswert, vor allem wenn Finanzinvestoren Firmen gekauft und mit hohen Schulden belastet haben.

Restrukturierungswelle steht 2010 bevor

"Die eigentliche Restrukturierungswelle steht 2010 bevor", warnt Rothschild. "Die Verwerfungen werden länger andauern als erhofft. Das wird nicht in einem oder zwei Jahren vorbei sein." Die Verschuldung der Unternehmen habe sich weltweit seit 2003 verdreifacht. In den kommenden Jahren müssten in Deutschland allein 600 Mrd. Euro an Schulden refinanziert werden.

Die westfälische Honsel-Gruppe gehörte bis Ende Mai allein der belgischen RHJ, der Offenburger Autozulieferer Neumayer Tekfor mit 3.000 Mitarbeitern der britischen Barclays Private Equity. Beide Investoren müssen ihre Unternehmen nun mit den Kreditgebern teilen. Bei Neumayer verzichten diese für 45 Prozent der Anteile auf mehr als die Hälfte ihrer Forderungen von 400 Mio. Euro und schießen zusammen mit Barclays 42 Mio. Euro frisches Eigenkapital ein. Die Beteiligung des britischen Finanzinvestors schrumpft um 40 auf 45 Prozent. Die nachrangigen Gläubiger, die ihre Darlehen komplett abschreiben müssen, werden mit fünf Prozent abgespeist. Der Umsatz des Herstellers von Motorenteilen war in der Automobilkrise um rund 20 Prozent eingebrochen.

"Loan to own"

Während die Banken Eigenkapital ungern übernehmen, haben es andere eben darauf abgesehen: "Loan to own" heißt ihre Strategie im Bankerjargon. Hedgefonds kaufen notleidende Kredite zu einem Bruchteil des Nominalwertes am Sekundärmarkt auf und spekulieren auf Beteiligungen. "Diese Investorengruppe ist zurzeit wieder sehr aktiv. Auch und besonders deutsche Adressen sind dort im Fokus", sagt Heike Munro, die Rothschild von der Deutschen Bank abgeworben hat, um die Umschuldungsberatung in Frankfurt auszubauen.

Eines der betroffenen Unternehmen ist die Sendergruppe ProSiebenSat.1, die den Finanzinvestoren KKR und Permira gehört. In die Milliarden-Kredite von deren gemeinsamer Holding Lavena hat sich neben anderen der US-Hedgefonds Apollo eingekauft. 2010 droht Lavena ein Engpass. Was dann passieren kann, zeigen Apollo und andere Fonds beim Baustoffkonzern Monier, zu dem die Braas-Gruppe in Oberursel gehört. Dort wollen sie zusammen mit den Banken die Firma in einer ungewöhnlichen Allianz kurzerhand ganz übernehmen und den Finanzinvestor PAI Partners verdrängen. Die Vereinbarung sollte am Donnerstag unterzeichnet werden.

Als langfristige Investoren sehen sich die Banken freilich nicht: Binnen 12 bis 24 Monaten wollten sie in der Regel wohl wieder aussteigen, schätzt Kerstien. Mit einem Kredit für den nächsten Käufer ist es dann nicht getan. "Die Kapitalstruktur deutscher Unternehmen muss sich ändern: mehr Eigenkapital und weniger Fremdkapital", mahnt Munro.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo