HRE-Schadenersatzklagen erreichen neue Dimension

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Die Schadenersatzforderungen gegen die inzwischen verstaatlichte Immobank Hypo Real Estate (HRE) wachsen in eine neue Dimension. Allein im größten Verfahren vor dem Landgericht München liegt das Volumen der Forderungen inzwischen bei gut 900 Mio. Euro, sagte der Vorsitzende Richter der 22. Zivilkammer, Matthias Ruderisch, am Rande einer Verhandlung.

In dem Verfahren, das im August begonnen hatte, hatte der Anwalt Andreas Tilp für mehrere Kapitalanlagefonds gegen das Unternehmen geklagt. Sie werfen dem damaligen Management vor, zu spät auf Belastungen durch die Finanzkrise hingewiesen und ihnen dadurch hohe Kursverluste beschert zu haben.

Auf den Vorschlag des Gerichts, sich durch einen Vergleich zu einigen, sei bisher keine der beiden Seiten eingegangen, sagte Ruderisch. Das Verfahren wird im Jänner fortgesetzt.

50 Schadenersatzklagen gegen HRE

Insgesamt sind am Landgericht München mehr als 50 Schadenersatzklagen gegen die HRE anhängig. Im Kern geht es um die Frage, ob das damalige HRE-Management die Aktionäre früher auf die Probleme infolge der US-Finanzkrise hätte hinweisen müssen. Formell richten sich die Klagen zwar gegen die Hypo Real Estate. Da das Unternehmen inzwischen im Staatsbesitz ist, müsste der Bund aber zahlen, falls es tatsächlich zu einer Verurteilung käme.

Im zweitgrößten Verfahren, in dem vor allem private Anleger geklagt hatten, will das Gericht vor einer Entscheidung in die Beweisaufnahme einsteigen. Insgesamt sollen im Frühjahr nächsten Jahres 13 Zeugen vernommen werden, kündigte Ruderisch an. Darunter auch der Chef der Finanzaufsicht Bafin, Jochen Sanio, sowie das frühere HRE-Vorstandsmitglied Bettina von Oesterreich.

Von den Zeugenbefragungen erhoffen sich die Richter Aufschluss darüber, wann das Management von den Belastungen durch die US-Finanzkrise gewusst hat. "Die Frage ist, ob das rechtzeitig mitgeteilt worden ist", sagte der Richter. Die Kammer legte in diesem Verfahren drei weitere Verhandlungstage im April 2010 fest.

Die HRE hatte am 15. Jänner 2008 in einer Ad-Hoc-Meldung über Abschreibungen von 390 Mio. Euro informiert. Danach hatte die damals im DAX notierte Aktie innerhalb eines Tages 37 % verloren und war dann nur noch 21 Euro wert.

Als im Herbst die Notlage des Unternehmens bekannt wurde, stürzte sie ins Bodenlose. Inzwischen mussten die Aktionäre ihre Anteile für weniger als 1,40 Euro an den Bund verkaufen, der die HRE vor wenigen Wochen vollständig in seinen Besitz brachte. Insgesamt hatten Bund und andere Banken die HRE mit mehr als 100 Mrd. Euro unterstützt.

15 Verfahren wurden gebündelt

Das Gericht hat 15 Verfahren gebündelt. Alle Kläger würden von der auf Anlegerrecht spezialisierten Kanzlei Rotter vertreten, sagte Richter Matthias Ruderisch. In dem Verfahren dringen die Kläger seinen Angaben zufolge auf Schadenersatz zwischen 2.500 und 100.000 Euro.

Damit ist der Fall vergleichsweise klein: In einem parallel laufenden Strang geht es mittlerweile um rund 900 Mio. Euro. Beide Fälle drehen sich um den Anfang vom Ende der Bank. Nach Auffassung der Kläger hat die HRE zu lange Probleme mit ihren Beständen von US-Ramschhypotheken verschwiegen und diese verspätet abgeschrieben. Der einstige Dax-Konzern bestreitet die Vorwürfe. Allen Informationspflichten sei korrekt nachgegangen worden. Eigentlich sollte am Donnerstag schon eine Entscheidung verkündet werden.

Ruderisch hatte im Juli gesagt, Anleger, die die zwischen Ende November 2007 und Mitte Jänner 2008 Aktien der Münchner HRE gekauft haben, hätten "gewisse Erfolgschancen". Die Bank hatte Mitte Jänner 2008 völlig überraschend 390 Mio. Euro auf kritische US-Wertpapiere abgeschrieben.

Zuvor hatte der Vorstand stets betont, von der schon um sich greifenden Finanzkrise nicht betroffen zu sein, sondern sogar gestärkt aus ihr hervorzugehen. Im Herbst 2008 brach die HRE dann nach Fehlspekulationen der irischen Staatsfinanzierungstochter Depfa beinahe zusammen. Mittlerweile ist das Institut verstaatlicht.

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