Arbeitsmarktöffnung

Industrie freut sich auf mehr Fachkräfte

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IV-General Neumayer attestiert einen "Umdenkprozess in der Industrie".

Die österreichische Industrie, die zu den entschiedensten Befürwortern der EU-Osterweiterung 2004 gehört hat, ist über die heute stattfindende vollständige Arbeitsmarktöffnung gegenüber den Beitrittsländern erfreut. Sie hofft, damit den konjunkturell bedingten, in Teilbereichen bestehenden Fachkräftemangel wenigstens abmildern zu können. Die wirtschaftliche Ausgangslage sei insofern gut, als Österreich vor einem "selbsttragenden Aufschwung" stehe und Aufträge ohne zusätzliche Fachkräfte nicht übernommen werden könnten, sagt Christoph Neumayer, seit einem Monat Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV). "Der Aufschwung wird zu drei Vierteln von der Industrie getragen und das schlägt sich im Beschäftigtenbereich nieder."

"Werden uns bemühen, dass sich die Menschen wohlfühlen"
Es reiche aber nicht aus, den Arbeitsmarkt pflichtgemäß zu öffnen, "wir werden uns bemühen müssen, dass sich die Menschen, die wir beschäftigten wollen, hier auch wohlfühlen", meinte Neumayer in einem Interview. Der Engpass lasse sich durch die Ostöffnung allein sowieso nicht beseitigen. "Die Facharbeiter in der Automobilindustrie im Grenzgebiet (zu Österreich, Anm.) sind so gut bezahlt und 'eingepackt', da ist eine sehr geringe Chance, dass die kommen." Im polnischen Grenzgebiet zu Deutschland sei die Sachlage womöglich anders.

Was weniger qualifizierte Arbeitskräfte betreffe, "kann ich mir im Fall von EU-Bürgern nicht vorstellen, dass jemand hierherkommt um Fuß zu fassen, obwohl er weiß, dass es keine Jobs gibt." Ein solches Szenario würde den den bisherigen Erfahrungen widersprechen.

Umdenkprozess in der Industrie
Bei den qualifizierten Beschäftigten habe in der Industrie ein "Umdenkprozess" stattgefunden, der in der Krise 2009 sichtbar geworden sei, als man (mit Hilfe von staatlichem Kurzarbeitergeld) die Belegschaften in den Betrieben habe halten können. "Die Unternehmen bemühen sich aktiv, alles, was an Potenzial da ist, auch auszunützen", beteuerte Neumayer mit Hinweis auf Initiativen, mehr Technikerinnen anzuwerben ("Girl's day") und ältere Mitarbeiter zu binden. Die Arbeitsmigration sei beim Fachkräftemangel nur eine Variable unter mehreren.

Die reale Größe des Phänomens kann die IV nicht genauer beziffern, die Zahl "geht jedenfalls in die Tausende". Einzelne Industrieregionen etwa in Oberösterreich seien "regelrecht ausgetrocknet", "da wird um die jungen Menschen gerungen".

Die Arbeitsmigration aus den osteuropäischen EU-Ländern wird in Österreich offiziell auf rund 13.000 (Wifo), in Deutschland auf 140.000 Personen pro Jahr geschätzt. Andere Prognosen gehen von einer deutlich stärkeren Wanderungsbewegung aus. "Ich rechne mit sehr viel mehr Migranten als nur den etwa 140.000 pro Jahr, von denen die Bundesagentur für Arbeit ausgeht", sagt etwa der Chef des deutschen ifo, Hans-Werner Sinn im neuesten "Focus". In den nächsten zehn Jahren würden Millionen von Arbeitsmigranten nach Deutschland kommen, sagt Sinn, der dem Zuzug positiv gegenübersteht.

Rot-weiß-rot-Card als Steuerinstrument
In Österreich sprechen weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer gern über eine möglicherweise mit einer neuen Krise verbundene Massenzuwanderung aus CEE. Hinter vorgehaltener Hand heißt es auf beiden Seiten, dass die "kriteriengeleitete Zuwanderung" (Rot-weiß-rot Card) gegenüber Drittstaaten im Fall des Falles Steuerungsmöglichkeiten biete.

Bei der von der Gewerkschaft geforderten Beschränkung der Leiharbeit auf 10 Prozent der Belegschaft sagt die Industrie glatt Nein. Eine solche sei "nicht sinnvoll". Wenn "wir mehr Arbeitszeitflexibilität zulassen, wird wohl das Thema Leiharbeit weniger wichtig werden", sagte Neumayer zur APA. "Die Unternehmen suchen sich einen Weg über Leiharbeit, um mehr Flexibilität gegenüber Auftragsschwankungen zu haben." Die Industrie verlangt schon seit langem einen längeren Durchrechnungszeitraum für die Arbeitszeit, was zu Einbußen bei den Überstundenzuschlägen führen würde.

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