Obamas beißt bei Finanzkontrollen auf Granit

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Selten hat Barack Obama derart düster gesprochen, selten fiel seine Kritik derart beißend aus. "Rücksichtsloses Verhalten", "aufgeblähte Bonuszahlungen", unkontrollierter Exzess" - der US-Präsident kannte mit den bösen Bankern, die aus der Krise (angeblich) nichts gelernt haben, kein Erbarmen. Doch seine Breitseiten sollten zugleich eigene Versäumnisse vertuschen.

Trotz vollmundiger Ankündigungen sind die Bemühungen der Regierung, die Finanzjongleure durch strikte Kontrolle an die Kette zu legen, ins Stocken geraten. Auch beim G-20-Gipfel Ende September in Pittsburgh steht das Thema Finanzaufsicht ganz oben auf der Agenda. Kann Obama bei dem Thema noch Führung beanspruchen?

"Für Obama schließt sich ein Fenster", kommentiert die "New York Times" am 15.9. Längst ist der Elan in Sachen Finanzreform erlahmt, der Widerstand der Branche, die staatlicher Aufsicht gleichsam "von Natur aus" mit Skepsis betrachtet, wird stärker.

Reform-Dynamik zum Erliegen gekommen

Gesetzesinitiativen im Parlament dümpeln vor sich her, oppositionelle Republikaner melden zunehmend Vorbehalte an - eine schnelle Verabschiedung ist nicht in Sicht. "Wir brauchen in der Tat fundamentale Reformen", meint Kevin McGee von der University of Wisconsin-Oshkosh. "Ich bin aber nicht sicher, ob es noch genügend Dynamik gibt oder ob diese gänzlich verschwunden ist."

Dabei hatte Obama noch im Juni eine weltweite Vorreiterrolle für sich in Anspruch genommen. Es sollte der ganz große Wurf werden, die umfassendste Finanzreform in den USA seit 70 Jahren, ein Vorbild für die ganze Welt. Obama wollte "die Führung im Ruf nach starker, moderner Regulierung und Aufsicht rund um die Welt übernehmen", hieß es in den Plänen.

Doch seitdem ist nicht viel geschehen. Zwar wurde beim G-20-Gipfel im Frühjahr in London etwas Fleisch hinzugefügt. Es gelang dabei aber nicht, Obergrenzen für Banker-Boni durchzusetzen - nicht zuletzt die USA waren skeptisch. Jetzt soll beim G-20-Gipfel in Pittsburgh Konkreteres folgen - und Obama hat nicht einmal im eigenen Haus für Ordnung gesorgt.

Zeitfenster für Reformen schon fast vorüber

Die Chancen auf wirklich strikte neue Regeln schwinden nach Ansicht von Branchenkennern umso mehr, je länger der Schock der Krise zurückliegt. "Wall Street hat ein kurzes Gedächtnis", nennen das Experten. Längst greifen die Banken wieder zu hochgefährlichen "Giftpapieren", setzen auf exotische Finanzprodukte - und locken wieder mit schwindelerregenden Boni, die oftmals zu blinder Risikobereitschaft verführen.

"Wenn die Zeiten wieder gut sind, läuft die Erinnerung Gefahr zu verblassen", umschreibt Charles Dallara vom International Institute of Finance (IIF), dem Weltverband der Finanzbranche, die Stimmung. Zugleich warnt Dallara vor allzu strikter Kontrolle - Banken hegen eine traditionelle Abneigung, überwacht und an die Kette gelegt zu werden.

Tatsächlich ist das Thema Finanzkontrollen in der US-Politik angesichts des nervenzehrenden Streits um die Gesundheitsreform stark in den Hintergrund getreten. Zudem ist das Thema für Obama ähnlich riskant wie die Erneuerung des Gesundheitssystems: Amerika ist ein ur-kapitalistisches Land, die Banken und Wall Street sind das Herz des Systems - und Profitstreben sein Motor. Jegliche Kontrollen werden in den USA gerne als "Sozialismus" gebrandmarkt.

Hinter den Kulissen, so die "Washington Post", sei die Bankenbranche bereits eifrig dabei, die Reformansätze in Sachen Kontrolle und Aufsicht zu verwässern und zu verzögern. Wie riskant Obamas Kritik an die bösen Bankern geworden ist, beweist auch die Reaktion der Zuhörer bei seiner Rede - die fast halbstündigen Ausführungen des Präsidenten wurden lediglich ein einziges Mal von Applaus unterbrochen.

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