Finanzminister Josef Pröll (V) hat erneut die Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) verteidigt. "Es ging in keiner Phase um Spekulationen", erklärte Pröll im Bundesrat im Zuge der Beantwortung einer Dringlichen Anfrage durch die Grünen und das BZÖ. Es sei nur in "bestgeratete Anlagen" investiert worden, schob Pröll die Verantwortung auf die Ratingagenturen.
Pröll ließ es sich nicht nehmen, ausführlich aus einem Bericht des Rechnungshofes (RH) zu zitieren, um die Erfolge der Finanzierungsagentur zu betonen: Die ÖBFA habe in den vergangenen Jahren rund 3,3 Mrd. Euro an Vorteilen erwirtschaftet, dies sei ein "ausgezeichnetes" Ergebnis.
"Wir blicken mit den Erfahrungen der Finanzkrise zurück auf die Zeit davor", verlangte der Finanzminister, "fair zu bleiben". Die ÖBFA habe "sofort entsprechend" reagiert und außerdem noch Gewinne geschrieben. Von einem Veranlagungsverbot hält er weiterhin nichts: "Einen größeren Nonsens habe ich überhaupt noch nie gehört." Im Übrigen sei es notwendig, dass man ein gewisses Maß an Liquidität zur Verfügung haben müsse, um etwa bei Hochwasser oder dem Bankenpaket einzuspringen.
Informiert über die möglichen Verluste durch die Spekulationen der ÖBFA wurde Pröll nach eigenen Angaben während seiner ersten Sitzung als Finanzminister mit den Sektionschefs des Finanzministeriums am 4. Dezember des Vorjahres. Er habe unverzüglich zwei Fragen gestellt: Wie darauf reagiert wurde, beziehungsweise ob es einen Stopp gab und dass er eine Prüfung der Vorgänge durch den RH wünsche. Beide Forderungen seien zu diesem Zeitpunkt bereits erfüllt gewesen.
Den Vorwurf der Opposition, die ÖBFA würde nicht nach dem vom RH empfohlenen Vier-Augen-Prinzip arbeiten, wies Pröll zurück. Es gebe seit 1999 eine entsprechende Dienstanweisung, eine Gesetzesnovelle dazu werde noch heuer an den Nationalrat übermittelt. Der vom RH im Zusammenhang mit der Veranlagung von Kassamitteln geforderte Stress- und Krisentest werde ab 2010 durchgeführt, versprach der Finanzminister.
Pröll will weiters nichts davon hören, dass die ÖBFA "spekuliert" habe. Er beharrte darauf, dass nur "konservativ" investiert wurde, was für ihn bedeute, "wenn in bestgeratete Anlagen investiert wird". Die Defizite des Bundes wären ohne die Gewinne der ÖBFA "spürbar höher gewesen". Auch im Zusammenhang mit den Veranlagungen im Bereich der Asset Backed Commercial Papers (ABCP) verwies Pröll lediglich auf die Ratingagenturen.
Als ab August und September 2008 die US-Immobilienkrise einsetzte, hätte die ÖBFA ihre entsprechenden Veranlagungen bereits gestoppt. Den Nettoertrag der ÖBFA, von 1998 bis 2008 685 Mio. Euro, wolle er dem Steuerzahler jedenfalls "nicht vorenthalten". Die von ihm versprochene Expertengruppe werde in den nächsten Tagen zusammentreten, so Pröll.
"Leitplanken" jenseits der Ratingagenturen
Nach Ansicht von Pröll gilt es als eine der "Lehren" aus der Rechnungshofkritik an der Veranlagungsstrategie der Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) nun, eine "Risikoabschätzung für die Veranlagung von Steuergeldern zu organisieren", sagte er am Freitag der APA. "Man muss einfach Leitplanken einschlagen außerhalb der Ratingagenturen, das wissen wir nach der Finanzkrise." Anregungen in dieser Hinsicht erhofft er sich auch von dem kommende Woche von Bundeskanzler Werner Faymann (S) angesetzten Gespräch mit RH, Nationalbank und Finanzmarktaufsicht, das "ich für notwendig und auch gut halte".
Pröll verweist zugleich auf die "Implementierung einer Expertengruppe im Finanzministerium", aber "da soll eines dann ins andere greifen, da haben parteipolitische Spielchen aus meiner Sicht nichts damit zu tun." Zwischen Kanzler Faymann und Vizekanzler Pröll hatte es ja einen kleineres öffentlichen Schlagabtausch um die Bewertung der RH-Kritik an der ÖBFA und die weitere Vorgangsweise gegeben. Pröll wendet sich einmal mehr gegen "pauschale Verdächtigungen und Unterstellungen: Der Rechnungshof hat sachlich geurteilt, hat ein Thema aufgezeigt, und es ist unsere Aufgabe, daraus die Lehren zu ziehen." Dies sei "die einzige Herausforderung, die ich selbst in heißen Tagen im Sommer auch an die politischen Mitbewerber als Anforderung stelle".
Zentrale Frage für den Finanzminister: "Wer kann eine Risikoabschätzung für die Veranlagung von Steuergeldern unverdächtig extern organisieren? Darum geht es jetzt." Die ÖBFA habe seit 2007 "Schritte gesetzt, aber da kann man gerne noch nachbessern". Die "Leitplanken", die ihm vorschweben, "politisch und mit Experten gemeinsam besetzt" sein. "Ich glaube, es ist möglich, für eine nachhaltige Veranlagung der Steuergelder zu sorgen, unter bestmöglichem Ausschluss von Risiko."
Grüne und FPÖ nicht zufrieden
Nicht zufrieden mit den Antworten von Finanzminister Josef Pröll (V) zu den drohenden Spekulationsverlusten der Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) sind die Grünen und die FPÖ. Pröll hätte die ihm vorliegenden Informationen schon im Zuge einer parlamentarischen Anfrage der Grünen im Dezember veröffentlichen müssen, kritisierte etwa der Grüne Bundesrat Stefan Schennach. Die FPÖ sprach von einer Verletzung der Sorgfaltspflicht.
Besonders stört Schennach das "blinde Vertrauen" in die Rating-Agenturen. Pröll habe zwar nichts verursacht, doch er hätte die Informationen über die drohenden Verluste schon früher bekannt machen müssen, so Schennach. "Sie wollten damals nicht die Wahrheit über die hochriskanten Geschäfte sagen", warf er dem Finanzminister vor.
Für Aufruhr unter den ÖVP-Bundesräten sorgte Schennach, als er die ÖBFA mit der Bawag und deren Verlusten verglich: "Es geht da um dasselbe." Natürlich müsse es Veranlagungen geben, diese müssten aber "sicher und konservativ" sein. Die Kernfrage sei, welche Richtlinien künftig für Veranlagungen durch öffentliche Hände - also Bund, Länder und Gemeinden - gelten.
Dieser Forderung nach Richtlinien schloss sich auch SP-Fraktionsvorsitzender Albrecht Konecny an. Steuermittel seien "nicht dazu geeignet, spekulativ aufs Spiel gesetzt zu werden."
Die FPÖ meint, die ÖBFA habe sich "benommen wie eine Investmentbank". Veranlagungen müsse es geben, doch es gehe um das Maß, erklärte die freiheitliche Bundesrätin Monika Mühlwerth. "Dieses Maß wurde völlig aus den Augen verloren." Es habe entgegen Prölls Aussage sehr wohl Spekulationen gegeben und außerdem eine "Verletzung der Sorgfaltspflicht".
NR-Sondersitzung nicht vom Tisch
Eine Sondersitzung des Nationalrates zu den drohenden Spekulationsverlusten der Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) ist auch nach dem Auftritt von Finanzminister Josef Pröll sowohl für die Grünen als auch für das BZÖ weiterhin nicht vom Tisch. Auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss stehe nach wie vor im Raum, sagte der stellvertretende Klubobmann der Grünen, Werner Kogler, gegenüber der APA. Der Auftritt Prölls vor dem Bundesrat sei "nicht sehr befriedigend" gewesen. Auch für BZÖ-Bundesrat Peter Mitterer hat Pröll die Erwartungen nicht erfüllt.
Kogler kündigte an, in den nächsten Tagen mit den anderen beiden Oppositionsparteien über die weitere Vorgangsweise Beratungen aufzunehmen. Ausdrücklich betonte er, auch mit der FPÖ darüber reden zu wollen, die sich zuletzt im Abseits gewähnt hatte. Die Frage dabei sei, welche parlamentarischen Mittel man ergreife. Sowohl eine Sondersitzung des Nationalrates, die nur alle drei Oppositionsparteien gemeinsam einberufen könnten, als auch ein U-Ausschuss, für den man eine Parlamentsmehrheit bräuchte, wären möglich.
"Das Mindeste" wäre für Kogler eine Sitzung des Rechnungshofausschusses, in den er als Vorsitzender alle drei betroffenen Finanzminister (Karl-Heinz Grasser, Wilhelm Molter und Josef Pröll) sowie die Verantwortlichen der ÖBFA laden will. Allerdings müsste der Ausschuss erst für permanent erklärt werden, um in der Sommerpause tagen zu können - das will Kogler bei der für Ende August angedachten Sondersitzung zur Reform des Bankgeheimnisses erledigen. Bis zur nächsten regulären Sitzung des Ausschusses am 17. September will Kogler "sicher nicht warten".
Pröll hat nach Ansicht des stellvertretenden Grünen Klubchefs in seiner Bundesrats-Rede jedenfalls "Äpfel mit Birnen verglichen, zusammengezählt und wieder subtrahiert." Der Finanzminister sei bei seiner Linie geblieben, dass die Vorgangsweise der ÖBFA konservativ und die einzig richtige gewesen sei, kritisierte Kogler. Auch BZÖ-Bundesrat Mitterer hielt Pröll vor, die dramatischen Auswirkungen der Spekulationen in der ÖBFA bis jetzt nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Pröll habe weiterhin die Spekulationen mit Steuergeld beschönigt und nicht erklären können, wieso unter ÖVP-Verantwortung aus der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur die "Österreichische Bundesspekulationsagentur" geworden sei.