Rufe nach US-Zinsschritt werden lauter

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Das renommierte "Barron's" titelte zuletzt ungewohnt politisch: "Zeit, die Zinsen anzuheben, Ben!"

Aber selbst in der Zentralbank scheinen sich inzwischen schon Lager zu bilden zwischen "Falken", die lieber früher als später an der Zinsschraube drehen, und "Tauben", die eher zur Zurückhaltung neigen. Zwar erwartet soweit niemand eine Anhebung vor Mitte 2010, allerdings ist die Debatte darüber nunmehr voll entbrannt.

Gerade 10 Monate ist es her, da Fed den Leitzins auf ein historisches Tief zwischen 0 und 0,25 drückte. "Komm schon, Ben", meint "Barron's" jetzt: "Kurzfristige Zinsen müssen nicht nahe Null sein, jetzt, da sich die Wirtschaft erholt." Dass der Dow Jones wieder über die 10.000 kletterte, sei ein Zeichen der fortschreitenden Gesundung.

Die Argumente des Finanzblattes: Die Politik des billigen Geldes nähre nur die Spekulation, ärgere US-Wirtschaftspartner, ausländische Gläubiger wie auch inländische Sparer und berge zudem noch das Risiko von Inflation. Und wenn Amerika für internationales Kapital attraktiv bleiben wolle, habe der seit einiger Zeit schwächelnde Dollar eine Stütze nötig.

Vorige Woche war der Dollar-Index, der auf einem Korb 6 wichtiger Währungen beruht, auf den niedrigsten Stand seit 14 Monaten abgesackt. Als zentraler Grund gilt, dass Investoren sich mit steigendem Risikoappetit aus dem sicheren Greenback zurückziehen. Zugleich wächst der Zinsunterschied zwischen Amerika und anderen Ländern. Der Leitzins in der Euro-Zone liegt allerdings auch nur bei 1 %.

"Barron's" rät zu einem "normaleren" Leitzins von 2 %, was nach historischen Standards immer noch niedrig wäre. "Sonst droht das Risiko einer weiteren Finanzblase". Denn immerhin wird der lockeren Geldpolitik von Bernankes Vorgänger Alan Greenspan zu Anfang des Jahrtausends einiges an Schuld zugeschrieben, dass es zu den massiv aufgeblähten US-Immobilienpreisen kam und in der Folge dann zu dem verheerenden Finanz- und Wirtschaftskollaps.

"Wir widersprechen nachdrücklich", schallte es nun von den Experten der Investmentbank Goldman Sachs zurück. Dass die Börsen sich wieder erfreulicher entwickelten und der Dollar (moderat) schwächer sei, bedeute eine Entlastung - "genau was der Arzt verschrieben hat, um der schwersten Rezession seit über einem halben Jahrhundert zu begegnen." In Sachen Preisauftrieb deuten die Zeichen unterdessen eher auf eine niedrigere Kernrate 2010. Und einen Anreiz zum verstärkten Sparen "ist das letzte, was wir auf sehr kurze Sicht brauchen, wenn die Wirtschaft wieder in Fahrt kommen soll".

Die derzeitige Lage des Dollar schreckt die Experten des US-Branchenprimus nicht: Zwar wäre ein steiler Absturz des Greenback besorgniserregend. "Eine schrittweise Schwächung sollte aber die Konkurrenzfähigkeit von US-Exporten erhöhen, dabei helfen, das US-Handelsdefizit zu verringern und am Ende dazu beitragen, weltweit Nachfrage und Angebot wieder auszubalancieren."

"Falken" und "Tauben" in Wartestellung

Jüngsten Kommentaren aus der Fed nach zu schließen, dürfte es in der Tat noch eine Weile dauern, bis in den USA wieder an der Zinsschraube gedreht wird. Das offizielle Mantra: Der Leitzins bleibt für eine "längere Periode außergewöhnlich niedrig". Doch scheinen sich "Falken", die Inflation fürchten, und "Tauben", die den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit betonen, in Stellung zu bringen.

"Die Fed ist gespalten über den Zeitpunkt für eine Zinsanhebung", beobachtete die "New York Times". Uneins seien sich die Mitglieder des Offenmarktausschusses zudem, wie flott der Leitzins in die Höhe getrieben werden soll, wenn einmal damit begonnen ist.

Der Chef der Fed-Filiale in Kansas City, Thomas Hoenig, signalisierte bereits Ungeduld. "Meine Erfahrung sagt mir, dass wir unseren akkommodierenden (anpassenden) Kurs eher früher als später verlassen müssen", meinte er und ist nicht alleine. Der Präsident der mächtigen New Yorker Fed, William Dudley, macht die Gegenrechnung auf: Inflationssorgen seien "nicht gut begründet", gibt er den "Falken" trocken zurück. Die Arbeitslosigkeit sei nach wie vor hoch, die Verbraucher litten weiterhin unter dem Schock abgestürzter Aktien- und Häuserwerte. Er und Notenbank-Chef Bernanke warten auf sichtbare Gesundung, bevor die US-Wirtschaft vom Niedrigzins-Tropf genommen wird.

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