Wegen Verdachts des Insiderhandels steht morgen der OMV-Chef vor Gericht.
Das österreichische Insider-Recht ist nicht nur in Unternehmenskreisen, sondern auch unter Juristen umstritten. Morgen, Donnerstag, muss sich OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer am Wiener Straflandesgericht vor Richterin Claudia Moravec-Loidolt gegen den Insider-Verdacht im Zusammenhang mit dem Erwerb von OMV-Aktien im März 2009 verteidigen. Er wies bisher alle Vorwürfe zurück. "Sollte es zu einer Verurteilung in der Causa Ruttenstorfer kommen, dann kann man den Vorständen von börsenotierten Unternehmen nur raten, keine Aktien des eigenen Unternehmens mehr zu kaufen", sagte ein Strafrechtsexperte.
Kaum Erfahrungen mit Insider-Prozessen
Aufgrund der bisherigen Unbescholtenheiten von Ruttenstorfer glauben mit der Causa selbst nicht befasste Juristen, dass es zu einem Freispruch kommt. Im schlimmsten Fall droht ihrer Ansicht nach eine Geldstrafe - aber auch eine Diversion ist der Gesetzeslage zufolge möglich. Mit dem neu gefassten Tatbestand des Insiderhandels habe man in Österreich kaum Erfahrungen - es seien seines Wissens nach wenige Fälle aus der Judikatur bekannt, so der Strafrechtler weiter.
Frage der Interpretation
Außerdem dürfte die Kausalität der Insiderinformation für den Aktienkauf ein wichtiges Thema im Prozess werden, hieß es aus Anwaltskreisen. "Da kann das Gericht nicht so einfach darüberspringen", sagte ein Wirtschaftsrechtsanwalt. In Österreich wurde das Insider-Recht 1993 erstmals geregelt. 2005 wurde das Insider-Recht aufgrund einer EU-Richtlinie erweitert und verschärft. Der Tatbestand weise eine Fülle von unbestimmten Rechtsbegriffen auf, etwa Wahrscheinlichkeitserwartungen. Diese müssten von der Judikatur interpretiert werden, so der Anwalt.
Dem Strafrechtler zufolge ist der derzeitige Tatbestand aber nicht mit jenem aus dem noch nicht abgeschlossenen Bier-Insider-Prozess vergleichbar. Der Prozess gegen 16 ehemalige österreichische "Bierbarone" bzw. deren Angehörige, für die die Unschuldsvermutung gilt, hat 2007 begonnen. Ihnen war vorgeworfen worden, zwischen Herbst 2002 und April 2003 verbotene Aktiendeals mit Insiderwissen um den späteren Verkauf der BBAG/Brau Union an Heineken durchgeführt zu haben. Im April 2007 wurden elf Angeklagte freigesprochen, allerdings hob das Oberlandesgericht (OLG) Wien zwei Jahre später zehn Freisprüche wieder auf. Der Prozess wird nun in erster Instanz wegen Verfahrensmängeln wiederholt.
Drei Jahre Aktien-Behaltefrist
Im Grunde gehe es in der OMV-Causa darum, ob es für ein Insidergeschäft ausreiche, nur Buchgewinne zu erzielen, ohne den Gewinn tatsächlich zu lukrieren, so der Strafrechtsexperte. Die österreichischen Unternehmen haben dem Juristen zufolge versucht, durch spezielle Compliance-Vorschriften mit einer Behaltefrist der Gefahr von Insidergeschäften vorzubeugen. Im Fall der OMV beträgt diese Mindestbehaltefrist drei Jahre. Dass die Finanzmarktaufsicht (FMA), die diese Maßnahmen kenne, eine so strenge Auslegung des Börsegesetzes mit dem Strafantrag gegen Ruttenstorfer vorgenommen habe, ist für den Strafrechtler nicht nachvollziehbar.
"Wer kann sagen, wo die Aktien in drei Jahren stehen werden", fragt der Jurist. Die Argumentation der FMA laute offenbar, dass selbst bei einem Verlustgeschäft aufgrund eines Insider-Kaufs das Minus geringer ausfallen würde, was eine sehr strenge Ansicht sei. In einem Fachbuch zum Kapitalmarktrecht heißt es zum Thema mögliche Kursbeeinflussung durch bestimmte Informationen: "Eine Kursveränderung um ca. 5 Prozent kann an einem Börsetag ungewöhnlich sein, an einem anderen wiederum dem Marktdurchschnitt entsprechen."
Verbund schloss Aktienerwerb für Vorstände aus
Einen anderen Weg als die OMV habe der Stromkonzern Verbund gewählt, der einen Aktienerwerb der Vorstände in seinen Compliance-Bestimmungen ausschloss, so der Strafrechtler. "Ich glaube nicht, dass der Gesetzgeber diese Auslegung so gemeint hat", so der Jurist. Allerdings versteht er auch die Bedenken gegen die Aktienkäufe von Vorständen von börsenotierten Unternehmen, denn Vorstandsmitglieder hätten immer einen Informationsvorsprung gegenüber dem Markt, sodass der "theoretische Verdacht" bestehen könnte, dass Vorstände Bilanzen schönen, um sich so Vorteile zu verschaffen.
Insider-Information
Dass es sich in der Causa Ruttenstorfer um eine Insider-Information handeln dürfte, liegt nach Ansicht des Strafrechtlers auf der Hand. Früher war die Rede von "vertraulichen Informationen", nun wird im § 48a Börsegesetz die Insider-Information als "eine öffentlich nicht bekannte, genaue Information" definiert, die bei Bekanntwerden geeignet wäre, eine Kursbewegung erheblich zu beeinflussen. Nach Ansicht des Juristen tue sich sowohl der Gesetzgeber als auch die Justiz mit dem Straftatbestand schwer.
In der juristischen Fachliteratur wird "genaue Information" mit einer Reihe von bereits vorhandenen Ereignissen oder Tatsachen interpretiert, bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie eintreten werden. Außerdem muss die Information bestimmt genug sein, um die Kursbeeinflussung abschätzen zu können