Griechenland-Schock

Sonder-Krisengipfel noch vor G20-Treffen

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Der beschlossene Volksentscheid in Griechenland stürzt Europa ins Chaos.

Europa war am Dienstag wieder in heller Aufregung, die Börsenkurse - namentlich Bank-Aktien - brachen sein. Nach der Ankündigung einer Volksabstimmung zum Rettungspaket für Griechenland beraten die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy mit den Spitzen von EU, EZB und Währungsfonds auf einem Krisentreffen morgen, Mittwoch, über das weitere Vorgehen. Bei dem Treffen in Cannes solle es um Wege zur "umgehenden Umsetzung" der Vereinbarungen des EU-Gipfels aus der vergangenen Woche gehen, teilte ein deutscher Regierungssprecher Dienstagnachmittag mit. Für heute 17 Uhr hat Sarkozy seine eigenen Leute in Paris zu einer ad-hoc-Sitzung zusammengetrommelt.

Nach der überraschenden Ankündigung eines Referendums über seinen Sparkurs gerät Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou immer stärker unter Druck. Sechs Politiker aus seiner sozialistischen Partei Pasok forderten Papandreou am Dienstag zum Rücktritt auf, Abgeordnete seiner Fraktion sprachen sich für Neuwahlen und die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit aus.

Führende EU-Politiker reagieren verschnupft auf Papandreous Pläne

Führende EU-Politiker reagierten verschnupft auf die Pläne des griechischen Regierungschefs, die er offenbar ohne vorherige Konsultationen verkündete. Nicht mehr ausgeschlossen wird jetzt eine Staatspleite Griechenlands und ein Austritt des Landes aus der Euro-Zone. Die Aktienmärkte brachen in Folge der Nachricht ein, die Staatsanleihen weiterer hoch verschuldeter Euro-Länder wie Italien gerieten noch mehr unter Druck.

"Der griechische Ministerpräsident hat diese Entscheidung getroffen, ohne sie mit seinen europäischen Kollegen zu besprechen", sagte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker dem Radiosender RTL. "Das bringt große Nervosität und große Unsicherheit zu bereits bestehender großer Unsicherheit." Die Euro-Partner müssten jetzt "ganz ruhig schauen, wie wir damit umgehen".

Griechenland auch Thema beim G-20-Gipfel in Cannes
Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone wollten das weitere Vorgehen am Rande des am Donnerstag in Cannes beginnenden G-20-Gipfels besprechen. Auch Papandreou sollte an den Beratungen teilnehmen. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso erklärten, sie hätten volles Vertrauen, dass Griechenland seine Verpflichtungen aus den Gipfelbeschlüssen gegenüber der Euro-Zone und der internationalen Gemeinschaft einhalten werde. Was sich durch das Referendum ändern könnte, werde die Euro-Zone in Cannes beraten.

Der britische Finanzminister George Osborne warnte vor einem Scheitern der Rettung Griechenlands. "Wir müssen an den Beschlüssen der Euro-Zonen-Länder von vergangener Woche festhalten." Danach wird für Griechenland ein zweites Hilfspaket von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) im Volumen von 100 Mrd. Euro geschnürt. Zudem soll es einen Schuldenschnitt von 50 Prozent geben, den die privaten Gläubiger mittragen. Im Gegenzug muss die Regierung den konsequenten Sparkurs fortsetzen. Diese Zusage droht nun mit der Ankündigung Papandreous zur Makulatur zu werden, was das gesamte Rettungspaket infrage stellt. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte, bei einem Nein der Griechen "wird es meines Erachtens zu einem Staatsbankrott kommen".

Banken warnen vor Scheitern der Rettungsbemühungen

Die Banken warnten eindringlich vor einem Scheitern der Rettungsbemühungen für das hochverschuldete Land. "Wichtige Detailplanungen im Nachgang des Euro-Gipfels werden nun verzögert, schlimmstenfalls auf Eis gelegt", warnte der deutsche Bankenverbandschef Michael Kemmer. Es sei zudem vollkommen unklar, was bei einem Nein der Griechen zum Rettungspaket passieren würde. Die US-Ratingagentur Fitch warnte, die geplante Volksabstimmung gefährde die Finanzstabilität in der Euro-Zone.

Beben an den Finanzmärkten
Mit seiner Ankündigung einer Volksabstimmung über das Sanierungspaket hat der griechische Ministerpräsident Papandreou ein Beben an den Finanzmärkten ausgelöst. Aus Furcht vor einem Auseinanderbrechen der Euro-Zone flüchteten viele Anleger aus Aktien und dem Euro. Der europäische Leitindex Stoxx 50 gab bis zum frühen Dienstagnachmittag um 3 Prozent nach. Die Schweizer Börse lag um 2,5 Prozent im Minus. Der deutsche Index DAX tauchte zeitweise um mehr als 6 Prozent, während der griechische ATHEX 20 rund 4 Prozent verlor. Der CAC-40 in Frankreich fiel um 4,8 Prozent, der britische FTSE 100 um 2,8 Prozent. Auch an der New Yorker Wall Street sackten die Kurse bei Handelsbeginn um 2,1 Prozent in die Tiefe.

Der Ausverkauf an den Aktienbörsen traf vor allem die Finanzhäuser, die zu den größten Gläubigern Griechenlands zählen. Sie belegten die ersten neun Plätze der EuroStoxx50-Verliererliste. Am härtesten traf es die dort gelisteten griechischen Banken NBC, Alpha Bank und Bank of Piraeus mit Kursverlusten zwischen 12 und 17 Prozent. Aber auch die stark in Griechenland engagierten französischen Institute Societe Generale und Credit Agricole standen mit einem Minus von 16,8 und 11,6 Prozent unter enormem Verkaufsdruck. An der Schweizer Börse gehörte die Credit Suisse zu den größten Verlierern (-7,5 Prozent), nachdem sie enttäuschende Quartalszahlen abgeliefert hatte.

Die Verluste in zwei Tagen hätten praktisch alle Zugewinne durch die Rallye nach den Brüsseler Gipfelbeschlüssen zunichtegemacht, sagte ein Analyst von BGC Partners. Die Börse Wien war heute feiertagsbedingt geschlossen.

Der Euro brach ebenfalls ein. Gegen 15.20 Uhr wurde die Gemeinschaftswährung bei 1,3671 Dollar gehandelt - das waren rund 2 Cent weniger als am Vortag. Gegenüber dem Franken legte die Gemeinschaftswährung allerdings um 0,3 Prozent auf 1,2185 Franken zu.

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