Im US-Kongress wächst der Widerstand gegen den geplanten Ausbau der Kontrollmacht der US-Notenbank (Fed). 14 republikanische und drei demokratische Mitglieder Repräsentantenhauses forderten in einem Brief an das US-Präsidialamt eine Untersuchung, ob die Fed beim Notverkauf von Merrill Lynch an die Bank of America ihre Kompetenzen überschritten hat.
Solange dieser Vorwurf nicht ausgeräumt sei, dürfe die Federal Reserve nicht wie von Präsident Barack Obama geplant weitere Rechte bei der Reform der Finanzaufsicht erhalten, hieß es in dem am 10. Juli bekanntgewordenen Brief. Bank-of-America-Chef Ken Lewis wirft Fed-Chef Ben Bernanke vor, er habe ihm im Winter 2008 im übertragenen Sinn das Messer an die Brust gesetzt, für den Fall, dass er die Übernahme der angeschlagenen Investmentbank Merrill Lynch scheitern lasse.
Bernanke weist das zurück. Zuletzt hatte das Parlament auch über ein Gesetz beraten, dass eine Prüfung der geldpolitischen Entscheidungen der Fed durch eine Regulierungsbehörde vorsah. Fed-Vize-Chef Donald Kohn hatte dagegen am 9. Juli empört protestiert und auf die Unabhängigkeit der Notenbank verwiesen.
Wie Kohn künftig die Stabilität des Finanzsystems sicherstellen will, wurde aus am 10. Juli veröffentlichten Aussagen des Fed-Vize-Chefs deutlich. Demnach müssten Großbanken aufgrund ihrer Bedeutung für das gesamte Finanzsystem höhere Kapitalreserven haben als kleinere Rivalen, erklärte Kohn. "Aufgrund ihrer systemischen Bedeutung brauchen sie mehr Kapital, mehr Liquidität und müssen sich beim Risiko-Management an höhere Standards halten", forderte Kohn.
Kontrolle des Risiko-Wertpapieren-Handels
Gegen Widerstände aus der Wirtschaft soll in den USA auch der Handel mit riskanten Finanzinstrumenten strikter staatlicher Aufsicht unterworfen werden. Finanzminister Timothy Geithner legte am 10. Juli Vorschläge zur Regulierung von Derivaten vor, die am außerbörslichen Markt gehandelt werden. "Unsere Pläne werden Marktmanipulationen und Betrug einen Riegel vorschieben, da die Aufsichtsbehörden mit umfassenden Informationen über das Geschehen am außerbörslichen Derivate-Markt versorgt werden", sagte Geithner vor zwei Kongressausschüssen.
Der außerbörsliche, sogenannte Over-The-Counter-Markt (OTC) mit Derivaten umfasst weltweit ein Volumen von 450 Billionen Dollar (324 Bio. Euro) . Eines der Instrumente ist der Credit Default Swap (CDS), mit dem Kreditrisiken abgesichert werden. Riskante CDS-Geschäfte wären dem US-Versicherungskonzern AIG in der Finanzkrise fast zum Verhängnis geworden, wenn der Staat nicht als Nothelfer eingesprungen wäre. Die von traditionellen Anlageformen abgeleiteten OTC-Finanzinstrumente sind nicht standardisiert. Sie werden direkt zwischen den Marktteilnehmern gehandelt. Dies bedeutet, dass es an Transparenz mangelt und in der Regel keine zentrale Verrechnungsstelle Ausfallrisiken auffängt.
Überwachung von OTC-Geschäften
Hier will die US-Regierung jetzt ansetzen und beispielsweise großen Finanzinstituten bei den OTC-Geschäften stärker auf die Finger schauen: Die Wertpapieraufsicht SEC soll den Regierungsvorschlägen zufolge den Banken unter anderem Berichts- und Dokumentationspflichten auferlegen können. In den USA kontrollieren vier Großbanken mehr als 90 Prozent des Derivatehandels: JPMorgan Chase, Goldman Sachs, die Bank of America und die Citigroup.
Einem Bericht des "Wall Street Journal" zufolge regt sich in der Wirtschaft erheblicher Widerstand gegen die Regulierung dieses bisher weitgehend unbeaufsichtigten Marktsegments. Mehr als 40 Unternehmen außerhalb des Finanzsektors laufen demnach Sturm gegen die Pläne und richten ihre Hoffnung auf eine Entschärfung der Regeln im US-Kongress. Die Zeitung berichtete, Firmen könnten bei zu starker staatlicher Kontrolle des OTC-Derivatesektors beispielsweise ihre Kursabsicherungsgeschäfte ins Ausland verlagern.
"Verkehrsregeln" für gesamten Finanzsektor
Mit einer umfassenden Reform will Präsident Obama Lehren aus der Finanzkrise ziehen. Obama will nachvollziehbare "Verkehrsregeln" für den gesamten Finanzsektor und eine verschärfte Aufsicht faktisch aller Bereiche, die als Auslöser für die Turbulenzen an den Märkten gelten. Die neuen Regeln sollen rasch umgesetzt werden; Regierungskreisen zufolge noch bis zum Jahresende. Allerdings muss das Reformpaket noch vom Repräsentantenhaus und vom Senat gebilligt werden.
Die US-Regierung will zum Schutz privater Anleger weiters ein Verbot von Bonuszahlungen an Bankberater und Broker ermöglichen. Eine entsprechende Ausweitung der Befugnisse der Wertpapierhandelsaufsicht SEC soll verhindern, dass Verbraucher zum Kauf von äußerst risikoreichen Wertpapieren überredet werden. Der Entwurf sieht zudem eine Belohnung von Finanzexperten vor, die der SEC beim Aufdecken von Betrugsfällen helfen.