Angst vor Grexit

Griechen räumen Bankkonten leer

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Immer mehr Griechen verlieren die Geduld mit der Tsipras-Regierung.

Die Griechen erhöhen im Reformstreit mit der Eurozone den Einigungsdruck auf die Politik und räumen immer mehr Geld von ihren Konten. Allein am Donnerstag hätten die Kunden mehr als eine Milliarde Euro abgehoben, sagten drei Bankvertreter am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Die EZB ist Insidern zufolge nicht sicher, ob die Geldinstitute am Montag noch ihre Schalter öffnen können.

EZB erhöht Not-Liquiditätshilfe
Der EZB-Rat erhöhte deshalb erneut die Not-Liquiditätshilfen für die griechischen Banken. Nachdem ein Treffen der Euro-Finanzminister am Donnerstag keinen Durchbruch gebracht hatte, richten sich alle Augen auf einen Euro-Sonder-Gipfel am Montag. Die Regierung in Athen gab sich siegesgewiss.

Sollten die Griechen ihre Geldhäuser durch einen "Bankrun" ins Wanken bringen, könnte sich die Lage dramatisch zuspitzen. Noch sieht es nicht danach aus. "Es gibt keine Schlangen oder Panik, es handelt sich um eine ruhige und schrittweise Phase von Abhebungen", sagte einer der Banker. Von Montag bis Mittwoch hatte sich das Tempo der Abhebungen allerdings auf insgesamt zwei Milliarden Euro verdreifacht. Einschließlich Donnerstag flossen damit allein in der laufenden Woche 2,2 Prozent der Ende April von den Banken verwalteten Kundeneinlagen ab. Notenbankchef Yannis Stournaras erklärte in Athen, die Banken seien stabil.

Geld horten
Die Zahlen dokumentieren, dass immer mehr Griechen Bargeld-Horte anlegen, um für eine mögliche Staatspleite gerüstet zu sein. Auch in der Europäischen Zentralbank (EZB) steigt Insidern zufolge die Sorge. In einer Telefonkonferenz erhöhte der EZB-Rat erneut den Rahmen für ELA-Banken-Notfallhilfen der griechischen Notenbank; eine Summe wurde zunächst nicht bekannt. Erst am Mittwoch hatte die EZB die Schwelle um 1,1 auf 84,1 Milliarden Euro angehoben. Am Montag will der EZB-Rat erneut beraten.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras setzt darauf, dass beim Treffen der Staats- und Regierungschefs am Montag eine Einigung gelingt. Dagegen sagte der Sprecher der deutschen Bundesregierung, Steffen Seibert, Griechenland müsse sich vorher mit der EU-Kommission, dem IWF und der EZB auf Reformen einigen. Sonst könne der Sonder-Gipfel nur beratende Funktion haben.

Kampf um Einigung
Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte, ohne eine Einigung sei eine Auszahlung aus dem laufenden Hilfsprogramm nicht möglich: "Wir warten auf glaubwürdige Vorschläge aus Griechenland." Die Finanzminister sollen den Euro-Gipfel bei einem vorgeschalteten Treffen am Montagnachmittag vorbereiten. Schäuble sagte, bisher fehle dafür die Substanz. Er sei nicht sicher, ob er am Montag sensationelle Neuigkeiten verkündigen könne, dämpfte er die Erwartungen. "Wir sind alle nicht besonders enthusiastisch." Theoretisch könnte auch beim regulären EU-Gipfel Ende der Woche weiterverhandelt werden.

Das griechische Hilfsprogramm endet am 30. Juni - und damit auch der Anspruch auf weitere Hilfen von bis zu 18 Milliarden Euro. Zugleich wird eine Rückzahlung an den IWF von 1,6 Milliarden Euro fällig. Tsipras lehnte weitere Einsparungen im vergleichsweise teuren Pensionssystem strikt ab, auf die die Geldgeber dringen. Allen, die auf "Terror-Szenarien" wetteten, werde das Gegenteil bewiesen. Ein Parlamentsausschuss in Athen erklärte die Schulden des Landes für illegal. Die Reformvorgaben der Geldgeber verstießen gegen die Menschenrechte der Griechen.

Schlechte Stimmung

Der Dauerstreit belastet zunehmend die Atmosphäre unter den Akteuren. IWF-Chefin Christine Lagarde hatte nach dem Euro-Finanzministertreffen am Donnerstagabend gesagt: "Am dringendsten ist es aus meiner Sicht, den Dialog von Erwachsenen im Raum wiederherzustellen." Schäuble sagte, er verstehe, dass Lagarde nicht begeistert sei, wenn der IWF als kriminelle Organisation bezeichnet werde. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sagte dem "Spiegel", er verstehe Tsipras nicht: "Das Vertrauen, das ich in ihn gesetzt habe, ist nicht immer ebenbürtig erwidert worden."

Der deutsche Kanzleramtschef Peter Altmaier sagte dem Berliner Inforadio: "Wir werden verhandeln bis zur allerletzten Minute." Deutschland ist größter Einzelgläubiger der Griechen und bürgt für gut 50 Milliarden Euro der bereits ausgezahlten Rettungskredite.
 

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