Jetzt trifft es die Menschen in Griechenland richtig hart: Das Nötigste droht auszugehen.
Griechenland will den Staatsbankrott mit Reformen im Steuer- und Pensionssystem abwenden. Die Regierung in Athen beantragte am Mittwoch bei ihren Euro-Partnern einen neuen Drei-Jahres-Kredit. Ihre konkreten Reformpläne will sie am Donnerstag präsentieren. Ministerpräsident Alexis Tsipras zeigte sich im Europaparlament kompromissbereit.
Allerdings erklärte er den bisherigen Rettungskurs für gescheitert, der dem Land nur Armut und Arbeitslosigkeit gebracht habe. Falls die Kompromisssuche kein Ergebnis bringt, sieht sich die deutsche Regierung für alle möglichen Entwicklungen gerüstet - also auch für einen Euro-Austritt ("Grexit") der Griechen. Dagegen betonte der französische Ministerpräsident Manuel Valls, sein Land werde diese Option nicht hinnehmen. Die EZB signalisierte, dass sie den Geldhahn für die austrocknenden Hellas-Banken nicht ewig offenhalten kann.
Indes bleiben die griechischen Banken angesichts der schweren Finanzkrise mindestens zwei weitere Tage geschlossen. Den entsprechenden Ministerialerlass habe der stellvertretende griechische Finanzminister Dimitris Mardas am Mittwoch unterzeichnet, berichtete das Staatsradio (ERT). Theoretisch könnten die Banken damit frühestens am Montag wieder öffnen, in Athen rechnen Experten aber mit einer Fortsetzung der Schließung.
In einem einseitigen Schreiben bat der neue Finanzminister Euklides Tsakalotos um ein auf drei Jahre angelegtes Hilfsprogramm des Euro-Stabilisierungs-Mechanismus (ESM). Um wie viel Geld es geht, schrieb er nicht. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte zuletzt einen Bedarf von 50 Mrd. Euro bis 2018 errechnet. Seit 2010 sind bereits fast 240 Mrd. Euro nach Athen geflossen, um eine drohende Staatspleite abzuwenden.
Über den neuen Antrag müssen nun die Reformprüfer von IWF, EU-Kommission und EZB ("Troika") beraten. Auf dieser Basis bereiten dann die Euro-Finanzminister einen EU-Sondergipfel am Sonntag vor. Gibt danach auch der deutsche Bundestag grünes Licht, kann verhandelt werden.
Die Eurogruppe könnte schon am Freitag zusammentreten, um über den griechischen Hilfsantrag beim ESM und das griechische Reformprogramm zu beraten. In EU-Ratskreisen hieß es nach einer Telefonkonferenz der Euro-Arbeitsgruppe, es werde sich am heutigen Mittwochabend entscheiden, ob die Eurogruppe Freitag oder Samstag zusammentritt. Der Brief Griechenlands werde als "brauchbar" eingestuft. Allerdings wird vor zu viel Zuversicht gewarnt. Es gebe keine Hilfe ohne Bedingungen, dies bleibe die Haltung der EU, hieß es.
Tsakalotos sagte bereits für die kommende Woche Reformen des Steuersystems und bei den Pensionen zu. Tsipras nannte im EU-Parlament als Beispiel Einschränkungen bei Frühpensionierungen. Zum Streitthema Schuldenerlass schrieb Tsakalotos zurückhaltend, seine Regierung würde eine Gelegenheit begrüßen, darüber zu sprechen, die Schuldenlast auf Dauer tragfähiger zu machen. Eine Wertminderung der Forderungen zulasten ihrer eigenen Bürger lehnen die meisten anderen Euro-Regierungen bisher jedoch strikt ab.
Die konkreten Vorschläge aus Athen wurden in Brüssel und den anderen Hauptstädten mit Spannung erwartet - schließlich hatte sich Tsipras erst am Sonntag in einem Referendum Rückendeckung gegen den bisherigen Reform-Mix geholt. Das griechische Volk habe sich bemüht, den Anforderungen gerecht zu werden, sagte Tsipras: "Aber jetzt sind wir am Ende der Belastbarkeit angelangt." Das Land sei zu einem Versuchslabor für Sparpolitik geworden. "Die Mehrheit des griechischen Volkes sieht keinen anderen Ausweg, als eine Befreiung von diesem ausweglosen Kurs zu fordern". Zugleich räumte er ein, dass die Ursachen für die Krise im Land selbst lägen, und nicht im Ausland. "Wir sind fest entschlossen, keine Konfrontation mit Europa zu betreiben, sondern mit dem Establishment in unserem Land."
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