Griechenland-Report

Katerstimmung nach dem Referendum

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Die Sorgen bleiben: Reportage aus Athen von ÖSTERREICH-Reporter Karl Wendl.

Die Banken bleiben zu (seit 29. Juni), Auslandsüberweisungen sind unmöglich, die Bankomaten spucken für Griechen nur 60 Euro pro Tag aus. Allerdings sind in den vergan­genen Tagen die Schlangen vor den Geldautomaten deutlich kürzer geworden.

»Leute kaufen kein Fleisch mehr – zu teuer«
Manolis Begalis (36), ein Fleischermeister in Athen, klagt: „Die Leute kaufen kein Fleisch mehr. Zu teuer. Sie essen Nudeln. Mein Umsatz ist um 60 Prozent eingebrochen.“ Ähnlich Sotiris Kavaras (38). Er arbeitet in einem Elektrogeschäft außerhalb von Athen, ist verheiratet, hat zwei Kinder, jobbte früher in Österreich: „Ich habe noch kein Geld von meinem Chef bekommen.“ Um sich über Wasser zu halten, hat er nachmittags einen Nebenjob als Deutschlehrer. Abends verschickt er gemeinsam mit seiner Frau eingelegte Oliven an Kunden nach Österreich: „Wir halten uns mit den Ausgaben zurück, anders geht es nicht.“ Sollte sich die Situation nicht verbessern, müsse er wieder ins Ausland.

Die Euphorie über das Nein beim Referendum über die EU-Sparpolitik ist weg, die Zukunftssorgen bleiben, Katerstimmung. Weil kein Geld mehr da ist, sind U-Bahnen, Busse, Züge gratis. Bis Freitag. Ich fuhr nach Piräus, dem Hafen. Der Zug klimatisiert, sauber, gesteckt voll, jeder spielt mit einem Handy.

»Wir wollen nicht raus aus der EU und dem Euro«
Giannis, ein 28-jähriger Computertechniker, sagt: „Das Nein hat mich stolz gemacht.“ Aber: „Wir wollen nicht raus aus der EU, wollen den Euro.“ Alle haben Angst vor einem Grexit, dem plötzlichen „Aus“: „Was dann passiert“, argumentiert Dimitris Papas (38), Besitzer einer Werbeagentur, „kann uns keiner sagen, auch Tsipras nicht.“ Papas hat mit Ja gestimmt: „Weil Griechenland ohne Europa nicht leben kann.“

Dabei sind die Hotels in Athen ausgebucht. Trotz markanter Buchungsrückgänge (–40 %) werden bis zu 24 Mio. Touristen 2015 kommen. Restaurants, Bars, Cafés sind Abend für Abend voll.

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