Das Vermögen von Millionären in Österreich könnte bisher deutlich unterschätzt worden sein. Eine Studie der Nationalbank (OeNB) kommt zu dem Ergebnis, dass das reichste ein Prozent nicht auf rund 25 Prozent, sondern auf bis zu 50 Prozent des Gesamtvermögens kommen könnte.
"Alle verfügbaren Informationen deuten daraufhin, dass der wahre Wert des Vermögensanteils, der von den oberen ein Prozent gehalten wird, näher an den 50 Prozent liegt als an den HFCS-Ergebnissen", heißt es in der Studie. Für eine präzisiere Berechnung der Vermögensverteilung brauche es bessere Daten am oberen Ende, also bei den Superreichen, argumentieren die beteiligten Wissenschafter.
Das Forscherteam umfasste neben zwei OeNB-Ökonomen den US-Statistiker Arthur Kennickell, der sich bereits seit Jahrzehnten mit der Vermögensverteilung beschäftigt. Das Trio hat neben der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung unter anderem auch Reichenlisten von den Magazinen "Trend" und "Forbes" sowie OeNB-interne Daten in ihre Modelle einbezogen.
"Angesichts der enormen Diskrepanzen in den erzielten Ergebnissen finden wir den Informationsgehalt der Daten zur Vermögensungleichheit eher begrenzt", schlussfolgern die Autoren. Aufgrund dessen sei es schwierig, Modelle für Vermögens- und Erbschaftssteuern zu berechnen. Auch Indikatoren für die Vermögensungleichheit und internationale Vergleiche könnten fehlerhaft sein.
Vermögensungleichheit unterschätzt
Bei den reichsten zehn Prozent gehen die Berechnungen weniger stark auseinander, aber auch hier könnte die HFCS, die EU-weit durchgeführt wird, die Vermögensungleichheit bisher unterschätzt haben. Die HFCS geht davon aus, dass in Österreich rund 58 Prozent des Gesamtvermögens von den reichsten zehn Prozent gehalten wird. Die Modelle der nun vorgelegten Studie geben eine Bandbreite von 60 bis 75 Prozent an.
Zum reichsten Prozent zählen Österreicherinnen und Österreicher mit einem Vermögen von mehr als zwei Millionen Euro und zu den reichsten zehn Prozent gehören Haushalte mit einem Nettovermögen von 500.000 Euro.
Die Studie ist von der Nationalbank im Jänner in ihrem Quartalsbericht veröffentlicht worden. Sie lege nahe, dass die vermögendsten Haushalte "deutlich mehr besitzen als wir bisher angenommen haben, nämlich nicht ungefähr 20 oder 25 Prozent, sondern teilweise bis zu 50 Prozent", sagte der WU-Professor Emanuel List, der sich ebenfalls mit der Vermögensverteilung befasst, am Montag im ORF-Radio. Ein Vermögensregister könnte für mehr Transparenz und eine solidere Datengrundlage sorgen, so List.
Noch mehr Vermögen als angenommen
An der bisherigen Vermögenserhebung gab es schon früher Kritik. Die Arbeiterkammer (AK) hatte 2020 gemeinsam mit dem Ökonomen Jakob Kapeller dargelegt, dass die OeNB-Erhebung HFCS die Vermögen der besonders Reichen aus mehreren Gründen nicht erfassen könne. Etwa könnten bei kleinen Stichproben die wenigen Superreichen nicht erfasst werden, außerdem verweigerten Reichere eher die Antwort bei einer Befragung, und sie gäben ihre Vermögenswerte tendenziell zu gering an.
Von der Gewerkschaft und der SPÖ kamen am Montag Rufe nach mehr Steuergerechtigkeit. SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer machte die Volkspartei für die Schieflage im Steuersystem verantwortlich. "Die ÖVP macht Politik für die Millionäre und Milliardäre, nicht für die Millionen arbeitenden Menschen." Die SPÖ fordert eine Abgabe auf große Vermögen und Erbschaften, der Gewerkschaftsbund ÖGB eine Millionärssteuer. Ein klares Nein zu Reichensteuern kam vom ÖVP-Wirtschaftsbund