US-Klage gegen S&P

Interne Mails bringen Ratingagentur in Not

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E-Mails gehören zu wichtigsten Beweismitteln in der 5 Mrd. Dollar schweren US-Betrugsklage gegen S&P.

Interne E-Mails gehören zu den wichtigsten Beweismitteln in der 5 Mrd. Dollar (3,7 Mrd. Euro) schweren US-Betrugsklage gegen S&P. Die Notizen geben einen Einblick in die Gedankenwelt der Rating-Experten. Was der Leser hier erfährt, ist nicht immer schmeichelhaft.

Manchmal können trockene Finanzanalysten zu wahren Poeten mutieren. Im März 2007 ist einer dieser Momente. Da dichtet ein Mitarbeiter der Ratingagentur Standard & Poor's auf die Melodie des "Talking Heads"-Hits "Burning Down the House" von 1983 ein paar hochaktuelle neue Liedzeilen: "Passt auf! Der Häusermarkt ist schwächer geworden. Kühlt sich ab. Der starke Markt ist nun viel schwächer. Zweitklassige Hypotheken kochen über. Lassen das Haus einstürzen."

Der Krisen-Song ging per E-Mail an einige Kollegen. "Aus offensichtlichen, beruflichen Gründen bitte nicht weiterleiten", merkte der Dichter noch an. Fünf Jahre später finden sich die Zeilen für jedermann lesbar in der Klage des US-Justizministeriums gegen S&P. Und sie belegen nach Ansicht der Regierung in Washington, dass die Finanzfachleute schon früh wussten, wie schlecht es um den amerikanischen Immobilienmarkt bestellt ist.

In der Klage wimmelt es von derartigen Konversationen zwischen S&P-Mitarbeitern. Die Mailwechsel und Chatprotokolle zählen zu den wichtigsten Beweismitteln des Justizministeriums, das der Ratingagentur vorwirft, aus Profitsucht viel zu lange viel zu gute Bonitätsnoten für Hypothekenpapiere vergeben zu haben - und damit letztlich eine Mitschuld daran zu tragen, dass die Finanzkrise 2008 ausuferte.

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Denn S&P bekam seine Bewertungsaufträge wie in der Branche üblich von den Banken, die die Hypothekenpapiere an Investoren verkaufen wollten. Dieser Interessenkonflikt war auch innerhalb von S&P ein Thema, wie die Aufzeichnungen zeigen: Würde S&P zu schlecht bewerten, könnten die Banken zu einer anderen Ratingagentur abwandern und sich dort eine bessere Note abholen. Würde S&P wider besseren Wissens zu gut bewerten, wäre das Betrug am Käufer der Hypothekenpapiere.

Die in der Klage aufgeführten Gespräche sind insofern wenig schmeichelhaft für S&P: "Wir bewerten jeden Deal", schreibt da ein Mitarbeiter einem Kollegen. "Er könnte von Kühen erdacht worden sein und wir würden ihn bewerten". Ein anderer spricht schon im Dezember 2006 davon, dass die Ratingagenturen mit der Bewertung komplexer Finanzprodukte ein "Monster" erschaffen hätten: "Lasst uns hoffen, dass wir alle wohlhabend und in Rente sind, wenn dieses Kartenhaus zusammenfällt."

Standard & Poor's fühlt sich durch die Veröffentlichung all dieser Gesprächsfetzen ungerecht behandelt: Ja, sagt die Ratingagentur, es habe eine rege interne Debatte darüber gegeben, inwiefern ein einbrechender Häusermarkts die Hypothekenpapiere in Mitleidenschaft ziehen könnte. "Die Ausschnitte der E-Mails, die das Justizministerium herausgepickt hat, sind aber aus dem Kontext gerissen." So ergäbe sich ein verzerrtes Bild der Kultur bei S&P.

Die Kuh-E-Mail habe sich etwa überhaupt nicht auf die fraglichen Ratings bei Hypothekenpapieren bezogen. "Wenn die ganzen Fakten vor Gericht auf dem Tisch liegen, wird sich zeigen, dass die zitierten E-Mails und Anekdoten gar nicht als Beweise für ein Fehlverhalten taugen." Die erhobenen Vorwürfe seien "einfach nicht wahr".

Für Standard & Poor's und die Mutterfirma McGraw-Hill geht es nicht nur um die Reputation, sondern auch um viel Geld. Justizminister Eric Holder will der Ratingagentur eine Zivilstrafe von 5 Milliarden Dollar aufbrummen (3,7 Mrd Euro). Das wäre ein vielfaches des Jahresgewinns.

Wie erfolgreich Holder mit seinem Ansinnen vor Gericht ist, lässt sich aber nur schwer einschätzen. Fest steht: Die flapsigen Sprüche von den "Kühen" oder auch vom "Kartenhaus" hatten Finanzaufseher schon im Sommer 2008 ausgegraben und öffentlich gemacht. Konsequenzen hatte dies für S&P bis heute nicht.

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