Auf 3,5 Prozent

EZB hebt Zinsen erneut kräftig an

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Die EZB setzt trotz der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor ihren Straffungskurs mit einem weiteren großen Zinsschritt fort.

Die Währungshüter um Notenbankchefin Christine Lagarde beschlossen am Donnerstag die Schlüsselsätze um einen halben Prozentpunkt anzuheben. Damit liegt der an den Finanzmärkten richtungsweisende Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, bei 3,00 Prozent. Der Leitzins steigt auf 3,50 Prozent.

"Wir lassen nicht nach in unserem Engagement, die Inflation zu bekämpfen", sagte Lagarde. Die Europäische Zentralbank (EZB) sei entschlossen, die Teuerungsrate mittelfristig wieder zur Zielmarke von zwei Prozent zurückzubringen. "Daran sollte kein Zweifel bestehen."

Lagarde ließ den weiteren Kurs im Kampf gegen den anhaltend starken Preisschub aber offen: "Das hohe Maß an Unsicherheit unterstreicht die Bedeutung eines datenabhängigen Ansatzes für unsere Zinsentscheidungen", sagte die Notenbank-Chefin. Die jüngsten Spannungen an den Finanzmärkten hätten die Unsicherheiten gesteigert. "Das ist der Grund, warum wir das Prinzip der Datenabhängigkeit verstärken."

DAX und EuroStoxx lagen zeitweise im Plus

Der deutsche Leitindex DAX und sein europäisches Pendant EuroStoxx lagen nach den Beschlüssen am Nachmittag zeitweise um 1,1 Prozent beziehungsweise 1,4 Prozent im Plus, nachdem sie zunächst ins Minus gerutscht waren. Volkswirte äußerten sich positiv. Es sei richtig, dass die EZB noch einmal einen großen Zinsschritt gemacht habe, sagte der Leiter des ZEW-Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft, Friedrich Heinemann. "Alles andere wäre ein Zeichen der Panik gewesen und hätte die Verunsicherung noch vergrößert." Ulrike Kastens, Europa-Volkswirtin bei der Fondsgesellschaft DWS, wies auf das Mandat der EZB hin, für Preisstabilität zu sorgen: "Diese ist weder aktuell noch auf Basis der Projektionen für die nächsten Jahre gegeben. Daher dürfte die EZB nicht darum herumkommen, die Leitzinsen weiter zu erhöhen."

Auch aus Sicht des Chefvolkswirts des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Andreas Bley, hätte eine Pause der Zinserhöhungen die Unruhe an den Finanzmärkten womöglich noch verstärkt. "Die EZB hat heute richtig entschieden, trotz der Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten an ihrer zuvor angekündigten Zinserhöhung festzuhalten." Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) sprach sich für weitere Zinsschritte aus. "Die EZB sollte ihren Kurs weiter fortsetzen, damit die Inflation mittelfristig und nachhaltig zurückgedrängt werden kann", sagte die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin Henriette Peucker.

Top-Ökonom Fratzscher: "Vage Kommunikation" 

Laut dem Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, bleibt die EZB Antworten auf viele offene Fragen schuldig - etwa wie Finanzinstitutionen kurzfristig unterstützt und stabilisiert werden sollen. "Die vage Kommunikation ist wahrscheinlich bewusst so gewählt worden, um keine Überreaktion an den Kapitalmärkten auszulösen", meint der Berliner Top-Ökonom. Die Bankenaufsicht und die EZB arbeiten seiner Ansicht nach sicherlich intensiv daran, verletzliche Finanzinstitutionen zu identifizieren und mögliche Probleme zu begrenzen: "Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass auch im Euroraum und in Deutschland einige Banken durch den starken Zinsanstieg große Verluste realisieren werden, ähnlich wie in den USA und nun die Credit Suisse in der Schweiz." Er erwarte weitere Maßnahmen der EZB in den kommenden Wochen.

Die Währungshüter erklärten zu den Börsenturbulenzen, sie beobachteten die aktuellen Marktspannungen genau. Die EZB sei bereit, so zu reagieren, wie nötig, um Preis- und Finanzstabilität im Euroraum zu wahren. Der Bankensektor des Euroraums sei widerstandsfähig: Kapital- und Liquiditätspositionen seien solide, erklärte die Euro-Notenbank. Die EZB besitze alle Instrumente, um das Finanzsystem nötigenfalls mit Liquiditätshilfen zu unterstützen. "Ich denke, dass der Bankensektor derzeit in einer viel, viel stärkeren Position ist als im Jahr 2008", sagte Lagarde.

Furcht vor einer neuen Bankenkrise

Die Furcht vor einer neuen Bankenkrise hatte in den vergangenen Tagen an den Börsen heftige Turbulenzen ausgelöst. Erst hatte der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA den Bankensektor an den Börsenplätzen in den Vereinigten Staaten und in Europa nach unten gezogen. Dann fachte die Vertrauenskrise bei der Credit Suisse (CS), der zweitgrößten Bank der Schweiz, die Unruhe an den Finanzmärkten erneut an. Die Credit Suisse greift nun nach der Rettungsleine der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und nimmt Kredite über bis zu 50 Milliarden Franken (rund 51 Mrd. Euro) bei der Notenbank auf.

Für die EZB war der Zinsschritt keine einfache Entscheidung, denn die Euro-Wächter müssen auch die Stabilität des Finanzsystems im Blick behalten. Auf der anderen Seite hatten Notenbankchefin Lagarde und andere Währungshüter zuletzt wiederholt die Absicht bekräftigt, im Kampf gegen die hohe Inflation einen erneuten großen Zinsschritt um 0,50 Prozentpunkte zu gehen. Damit stand auch ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Es sei kein anderer Vorschlag zur Diskussion im EZB-Rat gestellt worden, sagte Lagarde. Es sei eine von einer sehr großen Mehrheit getragene Entscheidung gewesen.

Inflation im Euroraum ließ zuletzt leicht nach

Die Inflation im Euroraum ließ zwar zuletzt leicht nach - sie sank von 8,6 Prozent im Jänner auf 8,5 Prozent im Februar. Doch das Notenbank-Ziel einer Teuerung von 2,0 Prozent liegt damit immer noch weit entfernt. Zudem nahm die Kernrate, in der die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise ausgeklammert bleiben, im Februar auf 5,6 Prozent zu, nach 5,3 Prozent im Jänner. Das bereitet den Währungshütern Sorgen: "Den Projektionen zufolge bleibt die Inflation für eine zu lange Zeit zu hoch", sagte Lagarde. Den neuen Prognosen der EZB-Ökonomen zufolge wird sie heuer noch bei 5,3 Prozent liegen und 2024 auf 2,9 Prozent sinken. 2025 soll die Teuerungsrate mit 2,1 Prozent immer noch leicht über der Zielmarke bleiben.

Die Wirtschaft im Euroraum wird nach der neuesten EZB-Vorhersage heuer um 1,0 Prozent wachsen und damit stärker als die im Dezember noch vorhergesagten 0,5 Prozent. Im kommenden Jahr soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,6 (1,9) Prozent zulegen. Für 2025 wird ebenfalls ein Zuwachs der Wirtschaftsleistung um 1,6 (1,8) Prozent erwartet. Der Anstieg fällt damit geringer aus als in den Projektionen vom Dezember erwartet.

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