Ideen für die Pflege

"Eine gerechte Entlohnung in Pflegeberufen ist unerlässlich"

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Acht Experten aus Niederösterreich suchen angesichts des Pflegenotstands und Arbeitskräftemangels nach innovativen Lösungen. 

In Österreich steht die Pflegebranche vor entscheidenden Herausforderungen: Die Bedeutung mobiler Pflegedienste, die Gewinnung junger Menschen für den Pflegeberuf, die Bewältigung des Pflegenotstands und die Rekrutierung von Pflegefachkräften.

Zugleich werden innovative Konzepte wie nachhaltige Alters- und Pflegeheime mit integrierten Kindergärten als zukunftsweisende Lösungen diskutiert. 

© Land Niederösterreich
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Christiane Teschl-Hofmeister, ÖVP-Landesrätin in Niederösterreich für Soziales, Bildung und Wohnbau

Der Altersalmanach für Niederösterreich zeigt, dass viele Ältere zu Hause leben möchten. Dies unterstreicht die Bedeutung mobiler Pflegedienste gegenüber stationären Pflegeheimen. Über 10.000 Menschen werden heute bereits durch mobile Betreuer unterstützt, aber der Arbeitskräftemangel in der Pflegebranche bleibt eine Herausforderung.

Bis 2030 werden 9.500 zusätzliche Pflegekräfte benötigt, wobei die Integration von Personal aus dem Ausland unerlässlich ist, da einheimische Arbeitskräfte allein nicht ausreichen. Wir begrüßen alle Initiativen und setzen auf gesellschaftliche Solidarität und Eigenverantwortung.

Konrad Kogler, Vorstand bei der NÖ Landesgesundheitsagentur (LGA)

Um junge Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen, ist eine frühzeitige Sensibilisierung essenziell. Pflege sollte nicht nur als Beruf, sondern auch als Berufung verstanden werden. Angesichts der Präferenz vieler jüngerer Pflegekräfte für Teilzeitarbeit gilt es, effektive Anreize für Vollzeitarbeit zu schaffen.

Das aktuelle Lohnsystem, bei dem Teilzeitkräfte nahezu dasselbe wie Vollzeitkräfte verdienen, muss überdacht werden. Durch eine angemessene Anpassung der Vergütungsstrukturen können wir jungen Menschen zeigen, dass sich Leistung lohnt und sie so für mehr Arbeitsstunden in der Pflege motivieren. Eine gerechte Entlohnung in Pflegeberufen ist unerlässlich.

Gerlinde Göschlbauer, Obfrau ARGE für Pflege und Betreuung

Die Gesellschaft muss sich proaktiv auf das Altern vorbereiten. Initiativen wie 'Tut gut' und 'Community Nursing' tragen entscheidend durch Prävention und Aufklärung dazu bei, gesundes Altern und die Lebensqualität im Alter zu fördern. Trotzdem existieren Informationslücken, besonders wenn Angehörige mit dem komplexen Pflegesystem konfrontiert sind.

Es bedarf hier klarer Informationen und eines niederschwelligen Zugangs zu Ressourcen wie Kompetenzzentren und Pflegehotlines. Dabei ist aber die Eigenverantwortung entscheidend – jeder Einzelne sollte sich rechtzeitig informieren und auf das Alter vorbereiten, anstatt sich ausschließlich auf Angehörige und Institutionen zu verlassen.

Christoph Riedl, Generalsekretär Caritas der Diözese St. Pölten

Der aktuelle Pflegenotstand hat in der Gesellschaft ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass Pflege und Unterstützung im Alter entscheidend sind. Diese Phase ist oft mit Verlust und Einsamkeit verbunden, weshalb neben professioneller Pflege auch die soziale Unterstützung für Alleinstehende besonders wichtig ist.

Grundsätzlich gilt es, die Themen Pflege und Altwerden in unserer Gesellschaft zu enttabuisieren und eine positive Kultur dafür zu schaffen. Darüber hinaus ist es dringend notwendig, die Arbeitsbedingungen für ausländische Pflegekräfte zu verbessern, einschließlich fairer Bezahlung, Visaregelungen und der Möglichkeit zur Familienzusammenführung, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.

Johannes Wallner, Unternehmenssprecher Senecura

Österreich steht bis 2030 vor der immensen Herausforderung, rund 80.000 Pflegefachkräfte zu gewinnen, eine Zahl, die der jährlichen Geburtenrate des Landes entspricht. Bei diesem begrenzten Arbeitskräfteangebot im Inland wird deutlich, dass die Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte unerlässlich ist.

Traditionelle Rekrutierungsmethoden reichen dafür aber nicht aus, um den steigenden Bedarf im Pflegesektor zu decken, weshalb innovative Ansätze erforderlich sind, um den Beruf attraktiver zu gestalten. Zwar kann die Digitalisierung zur Effizienzsteigerung beitragen, sie kann jedoch den unverzichtbaren menschlichen Faktor in der Pflege nicht ersetzen.

Markus Mattersberger, Geschäftsführer Pflegeheimen GmbH

In Pflegeheimen begegnet man oft einer „Vollkaskomentalität“ von Angehörigen, dass ihre finanziellen Beiträge eine umfassende Versorgung garantieren. Diese Sichtweise berücksichtigt jedoch nicht, dass monetäre Mittel allein nicht alle Bedürfnisse eines Pflegebedürftigen erfüllen können.

Obwohl Pflegeeinrichtungen eine umfassende Betreuung anbieten, ist es ihnen nicht möglich, das familiäre Zuhause komplett zu ersetzen. Daher bemühen sich Pflegeheime aktiv darum, Familienangehörige in den Pflegeprozess einzubeziehen, um eine liebevolle und fürsorgliche Umgebung zu schaffen. Das Ziel ist es, den Verlust der familiären Nähe so weit wie möglich auszugleichen, auch wenn die Rolle der Familie selbst unersetzlich bleibt.

Ernestine Jungwirth, Pflegedienstleiterin Hilfswerk:

Das Hilfswerk hat auf die hohe Mitarbeiterfluktuation in den ersten Berufsjahren mit der Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle reagiert, die auf die verschiedenen Bedürfnisse der Belegschaft abgestimmt sind. Zusätzlich wurde eine Vier-Tage-Woche eingeführt, die besonders bei jüngeren Mitarbeitenden Anklang findet. Diese Anpassungen tragen dem gestiegenen Bedarf nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance Rechnung und sind Teil einer notwendigen strukturellen Anpassung, um aktuellen Trends im Arbeitsmarkt gerecht zu werden.

Clemens Riha, Gründer und Mitglied der Geschäftsführung GR Real

Als Immobilienentwickler konzentrieren wir uns neuerdings verstärkt auf den Bau von nachhaltigen Alters- und Pflegeheimen. Dabei erfahren wir eine große Unterstützung durch Investoren. Unser Ziel für die kommenden Jahre ist es, als Pionier in diesem Bereich landesweit zu expandieren.

Ein innovativer Ansatz in unserem Konzept ist die Integration von Kindergärten in Altersheime, was den intergenerationalen Austausch fördert. Obwohl der Einstieg in diesen Sektor seine Herausforderungen mit sich bringt, ist es für uns eine Herzensangelegenheit, uns in diesem Bereich zu engagieren. Aktuell besteht unsere größte Herausforderung darin, passende Liegenschaften für diese Projekte zu finden.

  

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