ORF-Enquete: Parteien für starkes duales System

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Unkonkret blieben die Vertreter von Regierung und Opposition zum Auftakt der ORF-Parlamentsenquete. Ansagen zu Details des neuen ORF-Gesetzes, das bis 19. Dezember stehen soll, blieben aus. SPÖ-Medienstaatssekretär Josef Ostermayer betonte einmal mehr, es müsse eine Refundierung der Gebührenbefreiungen geben - gekoppelt an die Forderung nach mehr österreichischem Content und Film im ORF. Mehr österreichisches Programm wollten auch Vertreter von ÖVP und FPÖ. Ansonsten wiederholten die Mediensprecher die bekannten Positionen ihrer Parteien und betonten die Wichtigkeit eines starken dualen Systems.

ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf bekannte sich in seiner Rede ebenso wie Staatssekretär Reinhold Lopatka (V), zum dualen System mit einem "starken, unabhängigen ORF, den wir nicht infrage stellen wollen" sowie mit "starken und noch zu stärkenden Privatsendern". Konkreter wurde Kopf indes in der Tageszeitung "Der Standard", wo er ein neues Modell für die Bestellung eines kleineren ORF-Aufsichtsrats vorstellte. Demnach sollen die laut Kopf zwölf Mitglieder zunächst von der Politik bestimmt werden, sich in Folge aber jeweils selbst nachbesetzen.

Beschickung nach ÖIAG-Modell

Pro Jahr sollen zwei Aufsichtsräte ausscheiden, die restlichen zehn bestimmen die Nachfolger mit Zweidrittelmehrheit. Mit diesem Beschickungssystem, das sich am ÖIAG-Modell orientiert, würde sich die Regierung wohl über Jahre Macht, Einfluss und Dominanz in den ORF-Aufsichtsgremien sichern. Neben dem Aufsichtsrat wünscht sich Kopf ein zweites Gremium, das eine Mischung aus dem derzeitigen Stiftungs- und Publikumsrat sein soll und von politischen Institutionen, Bundesländern und gesellschaftlichen Gruppen beschickt werden könnte. Es soll rund 45 Personen umfassen.

Staatssekretär Ostermayer lehnte das von der ÖVP vorgeschlagene Selbstbeschickungsmodell indes ab und meinte auf APA-Anfrage: "Grundsätzlich ist es eine richtige Überlegung, das Gremium des Aufsichtsrates des ORF kleiner anzudenken. Das vorgeschlagene Prinzip der Beschickung hat sich jedoch schon bei der ÖIAG nicht bewährt. Lösungen anzudenken, die schon in der Vergangenheit nicht funktioniert haben, ist nicht zielführend".

SP-Klubobmann Josef Cap bekannte sich in seinem Statement im Parlament ebenfalls zur Dualität, allerdings nicht zum Nachteil des ORF: "Private ja - aber nicht den ORF privatisieren", so Cap. Wenn man den ORF auf einen Verkündigungssender ohne Unterhaltung reduzieren wolle, dann könne man ihn gleich schließen. Cap und Ostermayer sprachen sich gegen finanzielle Beschränkungen für den ORF aus und bekannten sich zur Mischfinanzierung.

Lob für redaktionelle Unabhängigkeit

Dieter Brosz, Mediensprecher der Grünen, lobte die redaktionelle Unabhängigkeit, die der ORF in den vergangenen zwei Jahren gewonnen habe. Die kritische Berichterstattung mache auch vor dem eigenen Haus nicht halt. Kritik gab es für Bund und Länder, die an den Rundfunkgebühren mitkassieren, sowie am parteipolitischen Einfluss in den ORF-Gremien. VP-Staatssekretär Reinhold Lopatka betonte, dass der Bund zwar rund 75 Millionen Euro aus den Gebühren lukriere, dass diese dem ORF aber in Form von Fernsehfilmförderungsfonds oder etwa Kunst- und Kulturförderung wieder zu Gute kämen. Er kritisierte auch, dass der heimische Gebührenzahler im Gegensatz zu anderen Ländern "ordentlich zur Kasse gebeten" werde. Vom ORF erwarte er sich einen langfristigen Strukturplan und dass er die "zu hohen Personalkosten in den Griff bekommt".

FPÖ-Mediensprecher Harald Vilimsky nahm in seinem Statement einmal mehr das Programm von ORF 1 ins Visier und kritisierte den hohen Anteil an zugekauften internationalen Serien. "Ein bisschen weniger 'Scrubs', ein bisschen weniger 'Dancing Stars'", dafür mehr qualitativ wertvolles Programm sei wünschenswert. BZÖ-Mediensprecher Stefan Petzner wiederholte seine Forderung nach einer Privatisierung von ORF 1. Mit den Einnahmen daraus solle ORF 2 zu einem "starken öffentlich-rechtlichen rot-weiß-roten Sender ausgebaut werden".

Schon vor Beginn der Enquete versammelten sich vor dem Parlament trotz Nieselregens einige Unterstützer der Initiative "Pro ORF", um für "Qualität statt Proporz" zu demonstrierten. Die Initiative forderte nachhaltige Zukunftskonzepte statt "Schrebergarten-Mentalität und Postenschacher" und sprach sich dabei sowohl für die Aufrechterhaltung eines umfassenden ORF-Leistungsspektrums aus als auch für die Einhaltung des Prinzips der Unabhängigkeit.

Private gegen Werbefinanzierung Öffentlich-Rechtlicher

Kritik an der Mischfinanzierung des ORF aus Gebühren und Werbung kommt von Vertretern der Privatsender. Ross Biggam, Generaldirektor der ACT, eines Zusammenschlusses der europäischen Privatsender, sprach sich bei der ORF-Parlamentsenquete für die Abschaffung der Werbefinanzierung in öffentlich-rechtlichen Sendern aus. Frankreich oder Tschechien hätten hier bereits erste wegweisende Schritte gesetzt. Beim derzeitigen System stelle sich die Frage, ob öffentlich-rechtliche Sender, die zu 30 oder 40 Prozent aus Werbung finanziert werden, überhaupt unabhängig von wirtschaftlichen Interessen agieren könnten. Es sollte eine klare Trennung von Gebühren- und Werbefinanzierung geben, so Biggam.

Anders ZDF-Intendant Markus Schächter: Der öffentlich-rechtliche Fernsehmacher appellierte an die österreichischen Parlamentarier, dem ORF die Möglichkeiten einzuräumen, die er braucht. So dürften etwa die Online-Angebote von öffentlich-rechtlichen Sendern nicht infrage gestellt werden, so der ZDF-Chef. Laut Daniel Eckmann, stellvertretender Generaldirektor der Schweizer SRG, brauche es eine "Balance zwischen Anspruch und Erfolg" und es brauche vor allem genügend finanzielle Mittel für hochqualitative Produktionen.

Öffentlich-rechtliche Sender seien die "größten Transporteure" heimischer Inhalte - von Information über Brauchtum bis Sport. Mittelfristig würden "Generalistenprogramme das Rückgrat der Radio- und Fernsehprogramme" bilden. Durch Internet und mobile Dienste verändere sich aber das Nutzungsverhalten. "Öffentlich-rechtliche Sender müssen den Anschluss an die neue Medienwelt schaffen oder das Publikum wechselt das Angebot. Die Gesetzgebung von heute entscheidet hier über die Konkurrenzfähigkeit von morgen", sagte Eckmann. Kritik übte der Schweizer an privaten Werbefenstern und dem Verbot von Online-Werbung. Für die SRG sei dies "kontraproduktiv" gewesen, Werbegeld fließe ins Ausland ab, das habe der Gesetzgeber so nicht gewollt.

Bedeutung für Kultur und Identität

Jane Vizard, Direktorin der EBU-Rechtsabteilung, betonte die bedeutende Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien für Kultur und Identität eines Landes. Darüber hinaus wies die Vertreterin der öffentlich-rechtlichen Sender Europas darauf hin, dass in den Aufsichtsgremien zahlreicher öffentlich-rechtlicher Anstalten vor allem Bürgervertreter sitzen würden. Polit-Vertreter seien da eher die Ausnahme. Medienpluralismus könne effektiv nur garantiert werden, wenn man nicht den Politikern alleine die Kontrollmacht über die Sender gebe.

Von den Privatsendern wird der Sonderstatus des öffentlich-rechtlichen Rundfunks indes gar nicht in Abrede gestellt, wie Tobias Schmid, medienpolitischer Bereichsleiter des Privatsenders RTL, erklärte. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse sich allerdings auf seine Aufgaben konzentrieren und sich an die europarechtlichen Rahmenbedingungen halten. Diese Balance gelte es zu halten.

EU-Vertreter Lowe für Prüfung neuer Dienste

Philip Lowe, Chef der EU-Generaldirektion Wettbewerb, plädiert für eine Vorabprüfung bei der Einführung neuer Dienste öffentlich-rechtlicher Medienunternehmen. Die Prüfung soll von "nationalen, unabhängigen Behörden" vorgenommen werden. Überprüft werden soll, ob Internetdienste oder mobile Anwendungen einen öffentlich-rechtlichen Mehrwert schaffen, so Lowe bei der ORF-Parlamentsenquete am Donnerstag. Öffentlich-rechtliche Sender dürften außerdem kommerzielle Dienste nicht zu "Dumpingpreisen" anbieten.

Ist dies nicht der Fall, muss der Dienst angepasst - oder dürfe nicht mit öffentlichen Mitteln finanziert werden, so Lowe im Hinblick auf die Verhandlungen um den ORF-Onlineauftritt. Die Vorabprüfung werde aber nur anerkannt, wenn "die Prüfstelle vom Medienunternehmen unabhängig" ist, betonte Lowe.

Weiters sprach sich der Chef der Wettbewerbs-Generaldirektion für getrennte Rechnungen kommerzieller und öffentlich-rechtlicher Dienste aus. Öffentlich-rechtliche Sender dürften kommerzielle Dienste nicht zu "Dumpingpreisen" anbieten. Lowe: "Eine Anstalt darf sich in ihrem Auftreten nicht wie ein Elefant im Porzellanladen benehmen". Als Beispiel nannte Lowe den Kauf von exklusiven Übertragungsrechten bei Sportveranstaltungen: "Wenn staatliche Finanzierung dazu führt, dass der Markt praktisch leergekauft wird, dann ist das problematisch."

"Deutlich formulierter Auftrag"

Voraussetzung für die Gebührenfinanzierung öffentlich-rechtlicher Sender sei ein für die Anstalten bindender, "klarer und deutlich formulierter Auftrag". Die Förderung des Pluralismus stehe dabei genauso im Vordergrund wie die Erfüllung "demokratischer, sozialer und kultureller Bedürfnisse". Aufgabe der EU-Kommission sei es, die Tätigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Übereinstimmung mit ihrem Auftrag effektiv zu überprüfen. Dies umfasst laut Lowe die "Aufsicht über finanzielle Modalitäten und die Aufsicht über die Aufrechterhaltung der Qualität der Anstalten. Unsere Aufgabe ist es, Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern die vermeidbar sind oder unverhältnismäßig erscheinen."

In Hinblick auf das rund um den ORF laufende Beihilfeverfahren meinte Lowe: "Wir sind in guten Verhandlungen mit den österreichischen Behörden." Die EU-Kommission sei "optimistisch", bis Ende Oktober den rechtlichen Rahmen für den ORF genehmigen zu können.

Pirker: Keine Gebühren für "more of the same"

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz plädierte im Rahmen der Enquete für den Erhalt des ORF in seiner aktuellen Größe und für die entsprechende finanzielle Absicherung des öffentlich-rechtlichen Angebots. Er begründete dies mit dem Wunsch der Gebührenzahler und stützte sich dabei auf eine aktuelle Umfrage. Horst Pirker, Präsident des Verbandes Österreichischer Zeitungen (VÖZ), betonte, dass das ORF-Programm komplementär zu bestehenden Angeboten sein müsse. Staatliche Beihilfen für "more of the same" einzusetzen, sei wettbewerbsverzerrend und ein klarer Missbrauch staatlicher Macht.

Zur Zeit brauche es in Österreich noch einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, "das wird sich über die Jahre noch ändern", so Pirker. Um aber die staatliche Beihilfe von mehr als 500 Millionen Euro jährlich zu legitimieren, müsse der ORF "relevante Bedürfnisse nach Information und Unterhaltung befriedigen, die von den übrigen Marktteilnehmern in ihren Angeboten nicht oder nicht ausreichen berücksichtigt werden", so Pirker. Als "öffentlich-rechtliche Lichtgestalt" nannte Pirker hier den Radiosender Ö1, wohingegen Ö3 und der Fernsehsender ORF 1 "alles andere als öffentlich-rechtlich" seien.

Der ORF müsse komplementär zu den übrigen Sendern programmiert sein, er müsse sich von den großen deutschen Privatsendern unterscheiden und nicht diese nachahmen. Denn gegen die Übermacht der Deutschen würde nicht einmal 500 Millionen Euro staatliche Beihilfe helfen, so Pirker. Alexander Wrabetz bezeichnete in seiner Rede "ein breites Angebot an qualitativer und zeitgemäßer Unterhaltung" als unerlässlich. Würde man den Sender auf Nischenprogramme reduzieren, würde er "schon mittelfristig die Akzeptanz der Bevölkerung verlieren", so der ORF-Chef.

"Das heimische Publikum erwartet eine starke, zuverlässige Stimme Österreichs in der digitalisierten Welt", ist Wrabetz überzeugt. Um diesem Wunsch zu entsprechen, brauche es eine gewisse Mindestgröße des öffentlich-rechtlichen Senders. "Mit einem Fernsehprogramm lässt sich die Vielfalt der Bedürfnisse der Bevölkerung nicht zufriedenstellen." Nötig dafür sei die Finanzierung aus Gebühren und Werbung, die es aufrechtzuerhalten gilt. Eine Beschränkung der ORF-Werbung würde lediglich zum Anstieg der Einkommen der Werbefenster führen und nicht zur besseren Refinanzierung österreichischer Medienangebote. "Das sollte jedoch nicht Aufgabe des österreichischen Gesetzgebers sein", findet Wrabetz. "Unsere Konkurrenz ist nicht ATV, nicht Puls 4, sondern die internationalen Privatsendergruppen", so Wrabetz.

Freilich müsse der ORF "deutlichen Sparwillen zeigen und die Einsparungsbemühungen transparent machen". Zusätzlich dazu müsse zur langfristigen Zukunftssicherung des ORF auch das Problem der Refundierung der Gebührenbefreiungen gelöst werden, um Leistungen, die nicht zum Kernauftrag gehören, auch weiterhin zu gewährleisten.

VÖP: "Überfinanzierter Marktteilnehmer"

Heftige Kritik am ORF kam vom Präsidenten der österreichischen Privatsender (VÖP), Christian Stögmüller. Der ORF sei ein "überfinanzierter Marktbeherrscher, der den Markt verstopft." Und Stögmüller warnte davor, dem ORF weitere Möglichkeiten einzuräumen. "Ein Supertanker, der voll ist, und versucht, weiter aufzuladen, droht zu sinken." Die Privatsender seien durch das Verhalten des ORF schon jetzt einem "ruinösen Wettbewerb" ausgesetzt. Deshalb müsse der ORF einen klar definierten öffentlich-rechtlichen Auftrag auferlegt bekommen und werbefrei sein. "Eine werbefreie Prime Time ist auf Sicht europäische Realität", zeigte sich der Vertreter der Privatsender überzeugt. "Dieses Land braucht einen dualen Rundfunk und deshalb eine zweite starke Säule neben dem ORF." Der öffentlich-rechtliche ORF sollte sich aus der "Geiselhaft der Quote" befreien. "Hollywood raus, Österreich rein" müsse die Devise lauten, so Stögmüller.

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