Molterer: Lehman verdeutlichte Ernst der Lage

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Die weltweite Wirtschaftskrise, die genau heute vor einem Jahr (am 15.9.) durch den Zusammenbruch der Investmentbank Lehman unübersehbar wurde, hat zu einer Neugewichtung in der weltweiten Wirtschaft und Politik geführt. Erstmals wurde "weltweit gemeinsam agiert".

Ein "unendlich wichtiges Symbol für die neue entstehende Balance" war die Gründung der G-20, resümierte der frühere Finanzminister Wilhelm Molterer (V). Vorher hatten die G-8 (Industrieländer USA, Kanada, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien sowie Russland) als international wichtigstes Wirtschaftsgremium gegolten, nun kamen noch Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien oder die Türkei dazu. Das neue Gleichgewicht sei zwar noch nicht da, zeichne sich aber schon ab, sagt Molterer, dem zu einem möglichen Wechsel nach Brüssel als EU-Kommissar nur ein "kein Kommentar" zu entlocken ist.

Die Lehman-Pleite sei, nachdem sich die Krise schon länger aufgebaut hatte, ein "richtiges Signal" gewesen, um zu zeigen: "Es ist Ernst". Allerdings habe vermutlich niemand die Dramatik der Auswirkungen richtig eingeschätzt.

Den europäischen Institutionen streut Molterer hingegen Rosen: sie hätten "die Bewährungsprobe absolut bestanden" und das mit teilweise sehr ungewöhnlichen Instrumenten. Das gelte auch für das heimische 100 Mrd. Euro schwere Banken- und Konjunkturpaket, das Molterer selber mit Nationalbank und Geschäftsbanken geschnürt hat. Es sei ein Glück gewesen, dass nach der Wahl sowohl Molterer selber als Finanzminister als auch der damalige SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer nicht in die Verhandlungen über die neue Koalition eingebunden waren und sich ganz auf die Konjunkturstabilisierung konzentrieren konnten.

Krise noch nicht bewältigt

Molterer freut sich zwar, dass die weltweiten Konjunkturpakete "den Abschwung gestoppt" hätten, aber "es ist viel zu früh zu meinen, die Krise ist bewältigt". Die Arbeitslosigkeit werde noch steigen, hier sei vor allem Flexibilität am Arbeitsmarkt gefragt. Eine weltweite Finanzmarktaufsicht sei nötig. "Hier hoffe ich auf eine Entscheidung der G-20" (Ende September in Pittsburgh), sagt Molterer, der zugleich einräumt, dass sein früheres Eintreten gegen eine Europäische Finanzmarktaufsicht ein Fehler gewesen sei.

Die Staaten müssten festlegen, wie sie ihre Konjunkturpakete zurückfahren können ("Exit-Strategie") und wie sie ihre Schulden und Defizite wieder reduzieren. Außerdem wünscht sich Molterer "mittelfristig" eine gemeinsame Strategie der Notenbanken weltweit, da es sonst "eine Gefahr für Inflation" gebe. Inflation zu verhindern ohne die Wirtschaft abzuwürgen heiße die Herausforderung.

Molterer glaubt, dass die Banken ihr Geschäftsmodell nach der Krise sehr wohl umgestellt haben in Richtung klassischem Banking auf Basis von Einlagen. Grundsätzlich werde aber "die Bepreisung von Umgang mit Risiko ein Kernthema für die Zukunft". Dazu gehört die Frage nach differenzierteren Eigenkapitalanforderungen, nach Liquiditätsvorschriften und ganz allgemein nach den Bilanzierungsstandards.

Die Finanzmärkte seien "die einzig globalisierten Märkte". Für den - intensiv geregelten internationalen Handel gelte dies nicht. Daher brauche man "eine WTO (Welthandelsorganisation) für die Finanzwirtschaft" zur Festlegung der globalen Spielregeln, sagt Molterer.

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