China setzt auf Windkraft

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Wenn Deng Hui seinen Blick über die zahllosen Rotoren gleiten lässt, die 80 Meter weit in den Himmel ragen, bläst ihm ein kalter, feuchter Wind ins Gesicht. Doch das ungemütliche Wetter stört den Windpark-Chef kein bisschen. "Das klingt in meinen Ohren wie eine Maschine zum Gelddrucken", sagt der Manager der staatseigenen Energiegesellschaft China Energy Conservation Investment Corp.

Vor ein paar Jahren standen nur ein paar Dutzend Windräder auf dem Gelände des Windparks drei Autostunden nördlich von Peking. Heute sind es über 200, Tendenz weiter steigend. Und das ist nur ein Beispiel für den enormen Boom der Windkraft in China.

Von der Kohle zur Windkraft

Die chinesische Regierung hat die Marschroute vorgegeben: Der Energiehunger der 1,3 Milliarden Chinesen soll zunehmend mit erneuerbaren Energien gestillt werden. Bisher noch stammen 80 Prozent aus der in dem Land billigen Kohle. Vor allem im windigen Norden und Westen des Landes soll der schmutzige Energieträger aber verstärkt von umweltfreundlichen Windrädern abgelöst werden.

"Die Menschen sprechen nicht mehr bloß über die Windkraft als möglicher Zukunftsperspektive", sagt Yang Ailun von Greenpeace in China. "Für viele Energieunternehmen ist das bereits Teil ihrer aktuellen Strategie." Tatsächlich übertrifft der Ausbau der Kapazitäten schon jetzt die kühnsten Erwartungen. Nachdem die Regierung ursprünglich das Ziel ausgegeben hatte, bis 2020 Windräder mit einer Kapazität von insgesamt 30 Gigawatt zu installieren, hat sie die Vorgabe jüngst mehr als verdreifacht: 100 Gigawatt sollen es binnen eines Jahrzehnts werden.

Seit vier Jahren hat sich die installierte Kapazität jährlich verdoppelt: von fast null vor ein paar Jahren auf 12,2 Gigawatt Ende 2008. Nach Angaben des internationalen Verbands für Windenergie (GWEC) sind weltweit Windräder mit einer Leistung von 121 Gigawatt installiert - mit den USA, Deutschland und Spanien an der Spitze, gefolgt von China. Das Reich der Mitte holt auf: Im Juni legten die Behörden der nördlichen Provinz Gansu Pläne für die "Drei Schluchten der Windkraft" vor, als Konkurrenz zum gigantischen Drei-Schluchten-Staudamm am Jangtse.

Allein die Projekte aus Gansu würden eine ähnliche Größenordnung wie der 22,5-Gigawatt-Damm erreichen, das größte Wasserkraft-Projekt der Welt. Andere chinesische Provinzen verfolgen ähnliche Pläne. Doch die installierte Leistung wächst so schnell, dass die Netze bereits jetzt überfordert sind. Ihre Kapazität reicht nicht aus, um die neu gewonnene Energie zu den Verbrauchern zu transportieren. Auch ein Teil der Energie aus Dengs Windpark muss deshalb ungenutzt verpuffen. "Die Entwicklung der Netze hat nicht Schritt gehalten", sagt der Windkraft-Manager. "Das ist ein unvermeidbares Problem mit dem Wind."

Intransparente Ausschreibungen

Deshalb werden nach Angaben des GWEC nur 8,9 der installierten 12,2 Gigawatt in China auch tatsächlich über die Netze transportiert. Einer der Gründe ist auch die abgeschiedene Lage vieler windreicher Regionen, in denen neue Windparks entstehen. "In den vergangenen zwei oder drei Jahren ist das zu einem ernsten Problem geworden", sagt Qiao Liming, Politikdirektorin im internationalen Windenergie-Verband. Problematisch seien zudem die oft intransparenten Ausschreibungen und die Stromtarife, die zu niedrig seien, um Windräder wirklich profitabel zu machen.

Doch die Regierung habe diese Probleme offenbar erkannt und versuche gegenzusteuern, sagt Qiao. So werde ein vergangenes Jahr verabschiedetes Investitionsprogramm helfen, die Netze auszubauen. "Aber das braucht Zeit", sagt die Windenergie-Expertin. "Es ist schwer, mit dem Boom Schritt zu halten." In Dengs wachsendem Windpark am Rande der mongolischen Steppe nördlich der chinesischen Hauptstadt gibt es von Zweifeln keine Spur. "Die Regierung arbeitet hart daran, die Netze auszubauen", zeigt sich Deng überzeugt. "Das schafft sogar noch bessere Voraussetzungen für das Wachstum der Windkraft."

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